Zusätzliche Milliarden für Flüchtlinge?
6. Juli 2016Manchmal muss man bei Wolfgang Schäuble an Dagobert Duck denken. Ähnlich der Comic-Figur aus der Disneywelt kann sich auch der Bundesfinanzminister über stetig wachsende Geldberge freuen. Zudem ist er äußerst sparsam - manch anderer sagt auch "knausrig" - und wie der Enterich kann Schäuble äußerst ungemütlich werden, wenn ihm jemand an die Schatulle will.
Nun sind die Bundesländer zwar nicht irgendjemand, aber sie streiten sich seit Monaten mit dem Bund über die Aufteilung der Kosten für die Integration von Flüchtlingen, die eine Bleibeperspektive haben. Zuletzt lehnten die Länder bei einem Treffen im Juni vom Bund angebotene zusätzliche rund zwei Milliarden Euro als unzureichend ab. Stattdessen sollen es acht Milliarden Euro sein. Diese Summe solle als jährliche Pauschale, "gestaffelt auf drei Jahre" ausgezahlt werden, fordert jetzt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und fügt hinzu, dass sich die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer in diesem Punkt einig seien.
Länder sollen Zahlen und Fakten liefern
Wäre Schäuble Dagobert Duck, dann würde er jetzt den Geldspeicher so absichern, dass niemand an die goldenen Taler herankäme. Doch da Berlin nicht Entenhausen ist, endet an diesem Punkt jede Gemeinsamkeit.
Dem Finanzminister bleibt nur die argumentative Abwehr - und die Hoffnung, dass die Bundesländer in der politischen Auseinandersetzung nicht die Oberhand gewinnen. "Wenn acht Milliarden auf drei Jahre bezogen sind, ist das nicht so furchterregend, als wenn es auf ein Jahr bezogen ist", sagt Schäuble und signalisiert überraschend ein gewisses Entgegenkommen.
Doch die Länder sollten sich nicht zu früh freuen. Denn der Finanzminister fordert Zahlen und Beweise dafür, dass die bislang vereinbarte Beteiligung des Bundes an den Kosten für die Versorgung der Flüchtlinge nicht ausreicht. Schwarz auf weiß und "von dritter Seite", also den Rechnungshöfen von Bund und Ländern und der Bundesbank überprüfbar. "Was man aus den Länderbereichen an Zahlen bekommt, hat mit seriösen Schätzungen teilweise wenig, um nicht zu sagen nichts zu tun", ärgert sich der Bundesfinanzminister.
Die schwarze Null steht
Die harte Haltung gegenüber den Bundesländern hat ihren Grund. An diesem Mittwoch hat das Kabinett den Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2017 und die Finanzplanung bis 2020 abgesegnet. Er trägt die Überschrift "Keine neuen Schulden!" und diese Botschaft ist bewusst mit einem Ausrufezeichen versehen. "Mit diesem Haushalt schaffen wir es, dass wir dann eine ganze Legislaturperiode ohne neue Schulden auskommen", sagt Wolfgang Schäuble und fügt warnend hinzu: "Wenn wir es auch im Vollzug schaffen."
Der Bund sei bereit, Ländern und Kommunen im Rahmen seiner Möglichkeiten zu helfen. "Aber es ist begrenzt", so Schäuble. Den Rahmen setzt die Etatplanung für 2017 und die Finanzplanung bis 2020. Für das kommende Jahr sind im Bundeshaushalt Einnahmen und Ausgaben von jeweils 328,7 Milliarden Euro vorgesehen. Dies sind 3,7 Prozent mehr als im laufenden Jahr. Auch für die folgenden Jahre wurde der Etatansatz jeweils erhöht. Bis 2020 sollen die Ausgaben 349,3 Milliarden Euro erreichen. Acht Milliarden Euro zusätzlich, auch gestaffelt, wären ein harter Brocken, den Schäuble nicht so einfach im Etat unterbringen könnte, ohne an anderer Stelle kürzen zu müssen.
Sozialausgaben steigen massiv an
Aktuell sind im Etatentwurf für 2017 rund 19 Milliarden Euro vorgesehen, um bestätigte Flüchtlinge zu integrieren, die Zuwanderung zu bremsen und Fluchtursachen zu bekämpfen. Bis 2020 könnten es mehr als 77 Milliarden Euro werden, mit denen der Staat die Aufnahme und Abwicklung von Asylverfahren, Integrations- und Sprachkurse sowie die Eingliederung der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt finanzieren will.
Der Anteil der Sozialausgaben am Bundeshaushalt wächst aber nicht nur wegen der Versorgung der Flüchtlinge. Gemessen am Gesamtetat (ohne Zinsen) steigen die Sozialausgaben von 52,9 Prozent im Jahr 2015 auf den Rekord von 57,2 Prozent im Jahr 2020. Angesichts einer guten Konjunktur und wachsender Beschäftigung mutet das verwunderlich an. Doch es sind nicht Arbeitslose oder jüngere Bedürftige, die vom Staat versorgt werden müssen, sondern Rentner.
Signal auch in die EU
Das von CDU, CSU und SPD aufgestellte Rentenpaket, das eine abschlagsfreie Rente für langjährig Versicherte ab 63 Jahren vorsieht und die höhere Mütterrente, mit der Erziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder stärker anerkannt werden, schlägt jetzt zu Buche. 160 Milliarden Euro werden dafür bis 2030 fällig. Zwei Drittel der Ausgaben entfallen allein auf die Mütterrente.
Das ist viel Geld und trotzdem soll in den kommenden Jahren an der "schwarzen Null" festgehalten werden. Schäuble pocht auch deswegen auf einen ausgeglichenen Haushalt, weil er ein Signal in die EU senden will. "Wir leisten damit einen Beitrag zur Konsolidierung der Finanzpolitik in der Eurozone insgesamt." Die Konjunktur in Deutschland laufe deswegen so gut, weil die Binnennachfrage hoch sei, die Bürger also viel kaufen und konsumieren würden. "Was der beste Beweis dafür ist, dass die Rückgewinnung von Vertrauen in die Tragfähigkeit öffentlicher Haushalte wachstumsstimulierender ist als manches, was in Interviews und sonstigen klugen Erklärungen gelegentlich gesagt wird."