Alejandro González Iñárritu eröffnet Filmfest Venedig
27. August 2014Alejandro González Iñárritu ist seit Jahren ein wohl klingender Name in der internationalen Filmszene. Auch die anderen großen Festivals der Welt von Berlin, über Cannes bis Toronto hätten einen neuen Iñárritu-Film mit Kusshand in ihr Programm aufgenommen. Venedig kann also stolz sein auf seinen Eröffnungsfilm. Dabei ist der mexikanische Regisseur diesmal mit einer Arbeit gekommen, die so gar nicht zu seinem bisherigen Oeuvre zu passen scheint: "Birdman" ist die erste Komödie des Regisseurs.
Drama und Komödie um einen Schauspieler
Es ist ein Film über die Welt des Films. Nicht ausschließlich, aber in erster Linie ist "Birdman" das Drama eines abgehalfterten Schauspielers auf der Suche nach vergangenem Ruhm. Allerdings ist es ein schwarzhumoriges Drama, eine Komödie mit bitterem Beigeschmack. Vielleicht auch Ausdruck von Iñárritus bisherigen Erfahrungen in der Filmbranche.
Erzählt wird die Geschichte eines Hollywoodmimen (Michael Keaton), der einst als Superhelden-Darsteller große Erfolge feierte. Doch das liegt Jahre zurück. Auf der Bühne am Broadway will er nun an frühere Erfolge anknüpfen und arbeitet verbissen an einem Comeback. Das will nicht recht in die Gänge kommen. Zum einen sind da die privaten Verhältnisse, die alles andere als geordnet erscheinen und zum anderen entpuppt sich sein Partner auf der Bühne (Edward Norton) als echtes Ekelpaket.
Ein Charakter wie Don Quixote
Für seinen Regisseur ist "Birdman" vor allem ein Film über die menschliche Psyche: "Über die Schlacht in uns, die Kämpfe um das eigene Ego." Iñárritu vergleicht die Figur des einst gefeierten Schauspielers, der versucht an frühere Erfolge anzuknüpfen, mit der des Don Quixote: "Wir Menschen befinden uns doch in einer irrwitzigen Komödie, die von Fehlern und Missgeschicken geprägt wird." Diese Schlacht des Menschen mit seinem Ego sei so voller Tragik, dass sie schon wieder komisch ist.
Dass sich Alejandro González Iñárritu in Venedig nun mit einer wenn auch tiefschwarzen Komödie vor der Cineasten-Gemeinde präsentiert, dürfte einige überraschen. Ist der Regisseur doch mit breit angelegten und formal sehr kühnen Gesellschaftspanoramen berühmt geworden. Im Jahre 2000 schlug sein Debüt "Amores Perres" wie ein Blitz in der Kinolandschaft ein. Ein Film über die düsteren Seiten der modernen mexikanischen Gesellschaft, erzählt in drei großen Erzählblöcken, die nur lose miteinander verbunden scheinen. Ein ungeheuer dicht erzähltes Drama, visuell atemberaubend, ein fast experimentell angelegter Spielfilm, der seine Zuschauer packt und sie bis zum Ende nicht mehr los lässt.
Künstlerischer Urknall "Amores Perros"
Ein wegweisender Film, nicht nur für das lateinamerikanische Kino. Er stand vor 15 Jahre am Beginn einer Renaissance, war ein Aufbruchssignal. Das wurde auch in Deutschland registriert: "Im Rückblick erkennt man, dass 'Amores Perres' stilistische Entwicklungen im Autorenkino der 1990er Jahre zu einer kraftvollen Synergie bündelte: den Neuen Realismus in den Milieustudien einerseits, das episodische Erzählen paralleler Lebenswelten andererseits", schrieb der Filmpublizist Roman Maurer in einem Essay über Iñárritu.
Das fiel auch Hollywood auf. Bereits seinen zweiten Film drehte der Regisseur 2003 in den USA. Für das Drama "21 Gramm" konnten Stars wie Sean Penn und Naomi Watts verpflichtet werden. Doch auch bei "21 Gramm" blieb sich Iñárritu treu: Das in viele einzelnen Sequenzen aufgesplitterte Werk setzt sich im Kopf des Zuschauers erst ganz am Ende zusammen - eine aufregende Kino-Erfahrung. Schließlich stieg Iñárritu mit seinem dritten Film "Babel" (2006) schon in den Olymp des Kinos auf. Der wiederum verschachtelt erzählte Film über ein US-Pärchen, das während einer Reise in Nord-Afrika in einen vermeintlich terroristischen Anschlag verwickelt wird, überzeugte Publikum und Kritik gleichermaßen. "Babel" wurde für sieben Oscars nominiert. Iñárritu dürfte der inzwischen höchstdekorierte Regisseur seines Landes sein, bekam Preise bei alle großen Festivals und in Hollywood.
Hoffen auf weiteren Preis
Auch sein letzter Film, die schwermütige Passionsgeschichte "Biutiful" um einen Kleinkriminellen (Javier Bardem), mit dem Herz am rechten Fleck wurde bei den Filmfestspielen in Cannes uraufgeführt. Nun darf Alejandro González Iñárritu wieder eines der großen Festivals der Welt eröffnen, wieder steht er im Rampenlicht, mit seinem Team auf dem Roten Teppich der Biennale.
Man darf gespannt sein, ob Iñárritus erste Komödie die Jury um den französischen Filmkomponisten Alexandre Desplat überzeugen kann. Und sich der Regisseur zum Ende der Veranstaltung in der Lagunenstadt (06.09.2014) möglicherweise eine weitere Festival-Trophäe in seinen Schrank stellen kann.