Zypern entzweit Politik
24. März 2013Kleinere oder größere Bedenken gab es in Deutschland jedes Mal, wenn ein Land aus der Eurozone Milliardenhilfen zur Rettung seiner angeschlagenen Banken oder seines Staatshaushalts begehrte. Irland, Spanien, Portugal und vor allem Griechenland - noch konnte sich jeder Bittsteller darauf verlassen, die benötigten Gelder zu erhalten. Und die stammen größtenteils aus Deutschland, Europas größter Volkswirtschaft. Im Falle Zyperns könnte es damit vorbei sein. In der deutschen Politik gibt es wenig Verständnis für die Entscheidung des Parlaments in Nikosia, das mit der Europäischen Zentralbank (EZB), dem Internationalem Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Union (EU) ausgehandelte Rettungspaket abzulehnen.
Um die dringend benötigten zehn Milliarden Euro zu erhalten, hätte der Inselstaat einen eigenen Beitrag in Höhe von knapp sechs Milliarden Euro beisteuern sollen. Um diese Summe zusammenzubekommen, war eigentlich geplant, die Spareinlagen aller Kontoinhaber auf Zypern anzuzapfen. Dieser Plan ist jetzt erst einmal vom Tisch. Nun müsse abgewartet werden, welche Vorschläge Zypern mache, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (Artikelbild) in Berlin.
Aus Regierungskreisen in Nikosia hieß es am Mittwochabend, man habe inzwischen ein alternatives Rettungspaket geschnürt. Der neue "Plan B" umfasst demnach Finanzhilfen aus Russland und auch eine Sonderabgabe auf Bankguthaben, allerdings in abgespeckter Form. Einzelheiten sind noch nicht bekannt.
FDP spricht von "großer Geste"
Merkels Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mahnte eine rasche Lösung an. Deutschland sei bereit, dabei zu helfen. Voraussetzung wäre, ein tragfähiges Programm zu bekommen, "dass Zypern irgendwann wieder Zugang zu den Finanzmärkten findet", betonte Schäuble. Auch die FDP, die mit Merkels Konservativen eine Koalition bilden, sehen Zypern in der Pflicht. Das abgelehnte europäische Hilfsangebot sei eine "große Geste" gewesen, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, Rainer Brüderle, gegenüber der Deutschen Welle. Zehn Milliarden Euro für ein Land mit 600.000 Einwohnern seien im Verhältnis zur Bevölkerungszahl "sehr, sehr viel Geld", betonte der ehemalige deutsche Wirtschaftsminister.
Während die deutschen Regierungsparteien für das Scheitern der Zypern-Hilfe ausschließlich das Land selbst verantwortlich machen, schlägt die Opposition ganz andere Töne an. Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, kritisierte zwar ebenfalls die Politik Zyperns, aber auch das europäische Krisenmanagement. "Friss oder stirb!" sei das Signal unter anderem des deutschen Finanzministers Schäuble gewesen. Die Europäische Zentralbank hingegen habe gegenüber Zypern den Eindruck erweckt, dass es weiterhin mit Liquidität versorgt werde. "Das nenne ich Chaos", sagte der frühere deutsche Außenminister.
SPD und Linke kritisieren Merkel
Steinmeiers Parteifreund, der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, warf Bundeskanzlerin Merkel laut "Spiegel Online" vor, mitverantwortlich dafür zu sein, "dass in Zypern Kleinsparer die Zeche zahlen sollen, aber die Bankeigentümer ungeschoren davonkommen". Merkel habe zugelassen, dass erstmals in der Euro-Krise Kontoinhaber "faktisch teilenteignet" würden, meinte Gabriel.
Aus Sicht der Linken ist Merkel die Hauptverantwortliche für das Scheitern der Zypern-Hilfe. Das Rettungspaket habe wie alle anderen Entscheidungen in der europäischen Staatsschuldenkrise "die Handschrift Merkels" getragen, sagte Parteichef Bernd Riexinger der Deutschen Welle. Nun bestehe die Gefahr einer größeren europäische Krise, die sich wie ein Schneeballsystem ausweite. Die Sparer in den Krisenländern würden sich Gedanken darüber machen, dass ihre Guthaben in Gefahr sein könnten, wenn über Lösungen verhandelt werde, orakelte Riexinger.
Die Stimmung in der deutschen Politik hat sich beim Thema Euro-Rettung insgesamt gewandelt. Sollte sich Zypern mit der Troika aus EU, EZB und IWF doch noch auf eine Lösung verständigen, wäre eine Zustimmung des Bundestages keineswegs gewiss. In der Vergangenheit haben auch die oppositionellen Sozialdemokraten und Grünen den Vorschlägen der Regierung trotz aller Kritik zugestimmt.
Sondersitzungen der Regierungsfraktionen
Mitunter war Kanzlerin Merkel sogar auf die Stimmen angewiesen, weil Abgeordnete aus den eigenen Reihen ihr die Gefolgschaft verweigerten und sie dadurch die sogenannte Kanzlermehrheit verfehlte. Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl im September muss die Regierungschefin mehr denn je damit rechnen, dass SPD und Grüne die Euro-Krise zum Wahlkampf-Thema machen werden. Gemeinsam wollen sie im Herbst die Regierung Merkel ablösen.
Unter dem Eindruck der Entwicklung in Zypern wollen die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP auf Sondersitzungen am Freitag über die anhaltende Finanzkrise der Euro-Länder beraten. Anschließend beginnt die bis Mitte April dauernde Osterpause des Parlaments. Sollte eine kurzfristige Abstimmung über ein neues Hilfspaket für Zypern nötig werden, müssten die Abgeordneten allerdings außerplanmäßig nach Berlin kommen.