140-Dollar-Marke geknackt
27. Juni 2008Der Ölpreis steigt weiter. Am Freitag (27.6.2008) stieg der Preis für ein Barrel (rund 159 Liter) US-Leichtöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) zur August-Auslieferung bis auf einen neuen Höchststand von 142,99 Dollar. Zuletzt wurde er mit 142,56 Dollar gehandelt. Das sind 2,92 Dollar mehr als zum Handelsschluss am Vortag. Am Donnerstagabend war der US-Ölpreis erstmals über 140 Dollar gestiegen.
Der Ölpreis konnte noch in diesem Sommer auf 150 bis 170 US-Dollar je Barrel steigen, sagte der Präsident der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), Chakib Khelil, in einem Fernsehinterview am Donnerstag (26.06.2008). Erst zum Jahresende dürfte der Ölpreis wieder sinken. Einen Anstieg auf 200 Dollar halte er allerdings für unwahrscheinlich.
Aktienmärkte im Tiefenrausch
Die von Rekord zu Rekord eilenden Ölpreise haben den Aktienmarkt am Freitag unter Druck gesetzt. Auch die Sorge vor weiteren schlechten Nachrichten aus der Finanzbranche drückte auf die Stimmung. Der Dax schloß 0,6 Prozent niedriger bei 6421 Punkten. Auf Wochensicht verlor der Leitindex damit 2,4 Prozent.
Der europäische Stoxx50 sank am Freitag um 0,4 Prozent auf 2876 Punkte. Die Reizthemen Inflation und Ölpreise nagten weiter am Vertrauen der Anleger in den ktienmarkt, sagte ein Börsianer.
Sind die bösen Spekulanten schuld?
Seit Monaten verfolgen nicht nur die Investoren Anleger an den Finanzmärkten die Entwicklung beim Ölpreis mit Argusaugen. Auch Politikern und Notenbankchefs ist der Preisschub beim Öl ein Dorn im Auge, da er der Hauptgrund für die weltweit wieder aufgeflammten Inflationsrisiken ist. Innerhalb nur eines Jahres hat sich der Ölpreis nahezu verdoppelt.
Uneinigkeit besteht unter Experten allerdings über die Rolle der "Spekulanten" und der OPEC an diesem extremen Ölpreis-Anstieg. Während die USA die OPEC in die Pflicht nehmen wollen und auf eine Erhöhung der Fördermengen drängen, hat die OPEC nach Meinung von Gazprom-Chef die Kontrolle über den Ölpreis verloren. "In der letzten Zeit wurde keine einzige Entscheidung (bei der OPEC) getroffen, die den weltweiten Ölmarkt wirklich beeinflusst hätte", sagte er der FTD.
Die OPEC gibt dagegen den Spekulanten die Hauptschuld: Die Verdopplung der Ölpreise binnen Jahresfrist sei nicht mehr mit der Gesetzmäßigkeit von Angebot und Nachfrage zu erklären. Und die Finanzminister der weltgrößten Industrienationen (G8) beauftragten auf ihrem letzten Treffen Mitte Juni den Internationale Währungsfonds (IWF) und die Internationale Energieagentur (IEA), den Einfluss von Spekulationen auf die Ölpreise zu überprüfen.
Fundamentale Ursachen viel wichtiger
Doch Experten wiegeln ab: "Der vage Begriff des Spekulanten muss derzeit als Sündenbock für die Ölpreisjagd herhalten", sagt etwa Rohstoffanalyst Thorsten Prottel von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Spekulanten - gemeinhin verstanden als Anleger, die zur Erzielung kurzfristiger Profite hohe Risiken eingehen - seien kaum für den Ölpreisboom verantwortlich, schätzt Prottel. Eine weitaus größere Rolle komme indes mittel- bis langfristig orientierten Investoren zu, die Rohstoffe als Alternative zu anderen Anlageklassen wie Aktien der Staatsanleihen entdeckt hätten. "Derartige Anleger als Spekulanten zu bezeichnen, ist aber verfehlt."
Rohstoff-Analysten wie Sandra Ebner von Deka Invest machen oder auch Commerzbank-Expertin Barbara Lambrecht machen denn auch vor allem die fundamentale Angebots- und Nachfragesituation auf dem Ölmarkt für den Preisschub verantwortlich. "Der kräftige Ölpreisanstieg ist vor allem auf das nach wie vor knappe Angebot an Rohöl zurückzuführen, das auf eine anhaltend hohen Nachfrage trifft, insbesondere aus aufstrebenden Ländern wie China und Indien", sagt Lambrecht.
Spekulanten können somit nach Meinung vieler Experten für kurzfristige Über- oder Untertreibungen beim Preis verantwortlich gemacht werden. Grundsätzliche Trends können sie aber nicht setzen. (kas)