Radfahren für Anfänger
20. April 2009Die Fahrradanfänger drehen unsicher ihre Runden. Auf einem zum Übungsplatz umfunktionierten alten Basketball-Feld stehen Pylone - bisher unüberwindbare Hindernisse für Lissabons zukünftige Radler.
Traum von der autofreien Innenstadt
Doch José Sá Fernandes, einer der Bürgermeister der Stadt, entwickelt in seinem Büro im Rathaus mit Blick über Lissabons Altstadt paradiesische Zweirad-Visionen - das tägliche Verkehrschaos direkt vor Augen. Der sportliche Mann Mitte 50 ist als Bürgermeister auch für Umwelt und Lebensqualität zuständig. Über einen riesigen Stadtplan auf seinem Schreibtisch gebeugt verspricht er: "Es wird in diesem Jahr 80 Kilometer Radwege in der Stadt geben. Allein im Stadtwald von Monsanto werden wir 30 Kilometer modernisieren und verbessern. Und innerhalb des Stadtgebietes werden über 40 Kilometer ganz neu gebaut."
Die portugiesische Hauptstadt soll zum Radfahrerparadies werden. Nicht nur Radwege sollen alle Stadtteile verbinden, ganze Straßenzüge in der Innenstadt sollen für Autos gesperrt werden.
Verängstigte Radfahrer
Auf dem Übungsplatz hat derweil Leonel Menonça wieder eines der Hindernisse umgefahren. In den Verkehr der Lissabonner City hat der junge Mann sich mit seinem neu gekauften Mountainbike noch nicht gewagt. "Der Verkehr in Lissabon macht den Radfahrern Angst. Viele Leute können zwar Rad fahren, trauen sich aber wegen der Autos nicht auf die Straße", erzählt Menonça.
Gut 20 Fahrradschüler üben darum jeden Samstag fleißig verkehrssicheres Radfahren. Lehrer Álvaro Santos macht Anfängerin Teresa Mut: "Los, Sie fahren doch schon", ruft er. Und: 2Vorsicht, die Wand! Bremsen!" Zu spät, die 40-jährige Soziologin hat die Kurve nicht gekriegt. "Macht nichts", tröstet der Fahrradlehrer. Und aufgeben will Teresa nicht: "Ich wohne unten am Fluss, einer wunderschönen Gegend. Da ist es doch schade, dass ich nicht Rad fahren kann." Seit Teresa als Kind einmal gestürzt sei, habe sie kein Fahrrad mehr bestiegen, erzählt sie.
Millionen-Investition in Radwege und Leihräder
Das soll sich nun ändern: Genau in Teresas Wohngegend lässt Bürgermeister Sá Fernandes die ersten Radwege bauen - zwischen dem Belém-Turm, einem der Wahrzeichen der Stadt, und dem Denkmal der Entdeckungen. Und das sei erst der Anfang, so der Bürgermeister: "Wir werden uns nicht auf das Tejo-Ufer begrenzen. Alle großen Achsen Lissabons werden durch Radwege verbunden. Dazu kommen noch 2500 Leihfahrräder."
Fünf Millionen Euro gibt die Stadt Lissabon dafür aus, Platz für Fahrräder im Verkehrschaos der oft äußerst engen Strassen zu schaffen. Mit dem Geld sollen auch die Leihfahrräder gekauft werden. Dahinter steht der Plan, die in den vergangenen Jahren unkontrolliert gewachsene portugiesische Hauptstadt endlich lebenswerter zu machen. Seit Jahren ziehen immer mehr Lissabonner aufs Land - und genau die will Bürgermeister Sá Fernandes durch mehr Lebensqualität in der Stadt halten.
Lieber im Stau stehen als mit dem Fahrrad fahren
Außerdem will er den Lissabonnern den Drahtesel als umweltfreundliches Transportmittel schmackhafter machen, obwohl die meisten bis jetzt absolute Fahrradmuffel sind. Noch sei das Auto, so Bürgermeister Sá Fernandes, das beliebteste Verkehrsmittel in Lissabon - auch, wenn man damit meistens im Stau steht. "Wir wollen wenigstens einige Lissabonner dazu bewegen, ihr geliebtes Auto zu Hause zu lassen und mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. Ich hoffe, dass es Mode wird", sagt Sá Fernandes.
Vor allem die jungen Lissabonner scheinen dieser Idee nicht abgeneigt zu sein. Die von der Stadt angebotenen Fahrradkurse sind immer ausgebucht. An den neuen Radwegen wird derweil noch hektisch gebaut, schließlich sollen die ersten im Sommer fertig sein.
Autor: Jochen Faget
Redaktion: Sandra Voglreiter