Keine Moral bei Raubkunst?
21. November 2013Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Entscheidung der Augsburger Staatsanwaltschaft kritisiert, dem Münchner Kunsthändler-Sohn Cornelius Gurlitt einen Teil der beschlagnahmten Bilder bald zurückzugeben. "Nachdem die ganze Sache über 18 Monate hinweg fast konspirativ behandelt wurde, ist nun der Schnellschuss einer pauschalen Rückgabe sicher auch der falsche Weg", sagte Zentralratspräsident Dieter Graumann der "Süddeutschen Zeitung". Bei Fällen von möglicher NS-Raubkunst seien "Sensibilität und Verantwortung gefragt".
Die Staatsanwälte machten sich die Sache zu einfach, denn: es gehe "nicht nur um den Rechtsanspruch auf Restitution", der Fall habe auch eine "moralische und historische Dimension", so Graumann. Es liege nun in der Verantwortung der Politik, "den Opfern von damals zur Würde von heute zu verhelfen".
Überraschende Wende
Der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz hatte am Dienstag erklärt, der 80-jährige Kunsterbe Gurlitt könne zahlreiche Gemälde aus dem spektakulären Schwabinger Kunstfund "unverzüglich" zurückbekommen. Dabei gehe es um Werke, die "zweifelsfrei im Eigentum des Beschuldigten stehen" und nicht unter dem Verdacht, zur NS-Raubkunst zu zählen. Die eingesetzte Task-Force, die die Historie der Gemälde erforscht, solle die betreffenden Objekte "so schnell wie möglich benennen".
Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" soll dies mehr als 300 Kunstwerke betreffen. In der Wohnung Gurlitts waren im vergangenen Jahr mehr als 1400 Kunstwerke gefunden worden. Sie sollen teils aus NS-Raubkunst stammen, könnten zum Teil aber auch zu der privaten Sammlung von Gurlitts Vater gehören.
Die komplizierte Aufklärung der Besitzverhältnisse hat die Staatsanwaltschaft Augsburg übernommen. Gurlitt will die Objekte, darunter viele Meisterwerke, zurück.
Druck auf Bundesregierung
Auch der Jüdische Weltkongress (WJC) hatte die Aktion der deutschen Justiz als übereilt und "unverantwortlich" kritisiert. Die Angelegenheit müsse auf "höchster politischer Ebene" behandelt werden, forderte WJC-Präsident Ronald S. Lauder. Die Reputation Deutschlands könne Schaden nehmen.
So müssten die Verjährungsfristen geändert werden, um die Rückgabe von NS-Raubkunst an die wahren Eigentümer zu erleichtern, verlangte Lauder. Nach österreichischem Vorbild solle er spezielle Kommission beauftragt werden, alle öffentlichen Sammlungen und Museen nach Raubkunst zu durchforsten.
SC/gmf (afp, dpa)