Bakers brisantes Buch
16. Juli 2004Während der Präsidentschaftswahlkampf in den Vereinigten Staaten in die heiße Phase geht, ist die Bush-Kritik in der erzählenden Literatur angekommen. Ähnlich hoch wie etwa an Michael Moore sind auch die Erwartungen an Nicholson Baker, der im August mit seinem neuen Buch aufwarten wird. In seinem Roman "Checkpoint" geht es um ein Gespräch zweier Schulfreunde in einem Washingtoner Hotel, von denen einer ein Attentat auf Präsident Bush plant.
Recht auf freie Meinungsäußerung
Als die "Washington Post" als erste Zeitung einige Zitate und eine Zusammenfassung der Handlung veröffentlichte, war sie sich der politischen Brisanz des Stoffs durchaus bewusst und stellte die Frage nach den möglichen juristischen Folgen für den Autor. Dieser sei durch die in der Verfassung verbriefte Meinungsfreiheit geschützt. Außerdem wird der Satz "Ich werde den Präsidenten ermorden" eben nicht von Baker sondern von seinem Helden Jay gesprochen.
Der Titel des Romans bezieht sich auf einen Zwischenfall, den Jay einer Zeitung entnommen hat und bei dem amerikanische Soldaten an einem Kontrollposten im besetzten Irak das Feuer eröffnen und dabei einen Teil einer schiitischen Familie töten. Solche Bilder und die von getöteten amerikanischen Soldaten und Zivilisten lassen die Kritik an der Regierung Bush und dem Einsatz am Golf in der Bevölkerung wachsen. Von dieser Kritik könnten im Herbst vor allem der demokratische Präsidentschaftskandiat Kerry und sein eben ernannter möglicher Vize John Edwards profitieren.
Nun nimmt die Kritik neue Formen an. Während in Hollywood so mancher Schauspieler, der sich offen gegen die offizielle Position des Landes im Irak ausspricht, immer noch um Engagements bangen muss, hatte sich die literarische Welt bisher elegant zurückgehalten. Eine Ausnahme, Susan Sontag, wurde für ihre Meinung bestraft, indem der amerikanische Botschafter die Einladung in die Frankfurter Paulskirche anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an die Schriftstellerin ablehnte.
"Psyche eines verzweifelten Menschen"
Welche Konsequenzen die Veröffentlichung von "Checkpoint" für den Autor und seinen Verleger Alfred A. Knopf haben wird, bleibt offen. Der 1957 in New York geborene Autor, der 1992 mit dem Telefonsex-Roman "Vox" Aufsehen erregte, wird gelobt für seinen liebevollen Stil und seine detailgetreuen Beobachtungen, die teilweise fast wie phänomenologische Studien anmuten. In "Checkpoint" werde die Psyche eines an einer politischen und menschlichen Situation verzweifelnden Menschen analysiert, verspricht die "Washington Post" in ihrer Ankündigung. Gegen den möglichen Vorwurf des Aufrufs zum Attentat verwehrte sich Baker in einer Stellungnahme: "'Checkpoint' ist eine Erörterung gegen Gewalt, nicht dafür," sagte der Autor.
Rowohlt noch unentschlossen
Beim deutschen Verleger Rowohlt wird im Moment geprüft, ob sich der Roman für den deutschsprachigen Raum eignet. "Bei Hausautoren spricht grundsätzlich nichts dagegen," sagt Ursula Steffens von Rowohlt im Gespräch mit DW-WORLD. Politische Zweifel habe man dort im Vorfeld nicht. "Das hängt allein vom Text ab", so die Lektorin. In den USA ist das ein bisschen anders. Kurz nach der Veröffentlichung wird dort der Nationalkonvent der Republikanischen Partei stattfinden, ein Höhepunkt im Wahlkampf. Der Ausgang der Wahl ist ebenso offen, wie Rezeption und Wirkung des neuen Romans von Nicholson Baker.