Viele ausgereiste Islamisten türkischstämmig
17. August 2016Ein großer Teil der bis Ende 2015 aus Deutschland in Richtung der Kriegsgebiete der Terrormiliz "Islamischer Staat" ausgereisten Islamisten hat einen türkischen Hintergrund. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. "Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden hatte etwa ein Viertel der 760 deutschen Islamisten beziehungsweise Islamisten aus Deutschland, die bis Ende 2015 in Richtung Syrien/Irak ausreisten, die türkische Staatsbürgerschaft oder war 'türkischstämmig' ", heißt es in der vom Bundesinnenministerium verfassten Antwort. In absoluten Zahlen wären das etwa 190 Islamisten gewesen. Auch die Zeitung "Die Welt" berichtet über die Angaben.
Mehr als 800 Islamisten nach Syrien und in Irak
In diesem Jahr sind die Zahlen der aus Deutschland in die IS-Gebiete ausgereisten Islamisten weiterhin stark angestiegen. Nach Angaben des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) von Mitte Mai waren bis zu diesem Zeitpunkt mindestens 820 Islamisten aus Deutschland in Richtung Syrien und Irak gereist. Ende Juni hatte das Bundeskriminalamt (BKA) mitgeteilt, dass ein Drittel dieser etwa 820 Menschen inzwischen wieder in der Bundesrepublik ist. 140 der ausgereisten Islamisten seien in Syrien oder im Irak gestorben.
Am Dienstag hatte der vertrauliche und nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Teil der Antwort der Bundesregierung auf die Linken-Anfrage für erheblichen Wirbel gesorgt. Aus diesem als "Verschlusssache" eingestuften Teil geht hervor, dass die Bundesregierung die Türkei unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan als "zentrale Aktionsplattform" für islamistische und terroristische Organisationen im Nahen Osten sieht. Demnach arbeitet Ankara seit Jahren mit Islamisten zusammen.
Von Notz: Türkei-Deal noch zweifelhafter
Eine Reaktion der türkischen Regierung steht noch aus. Der Bericht könnte das diplomatische Klima zwischen Berlin und Ankara weiter verschlechtern. Die auf einer Bundesnachrichtendienst-Analyse basierende Einschätzung ist auch deswegen heikel, weil die Opposition Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) seit Beginn der Flüchtlingskrise vorwirft, sich mit kritischen Äußerungen über Erdogan zu sehr zurückzuhalten. Die Regierung habe sich mit dem von Merkel initiierten EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei von Erdogan abhängig gemacht.
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte der "Mitteldeutschen Zeitung" zu dem Bericht: "Sollte dies tatsächlich die Einschätzung der Bundesregierung sein, rücken der Türkei-Deal und die Milliarden-Leistungen an Erdogan in ein noch zweifelhafteres Licht." Sein Parteikollege Omid Nouripour sagte der "Rheinischen Post": "Eine solch gravierende Kritik muss endlich öffentlich und nicht nur in klassifizierten Unterlagen geäußert werden." Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich forderte in der "Frankfurter Rundschau" den Bundestag rasch über die Erkenntnisse zu informieren.
sti/cr (afp, Die Welt)