Bernie Sanders: Ein besiegter Gewinner
10. Mai 2016Auch wenn US-Senator Bernie Sanders das Rennen um die Nominierung bei den Demokraten verlieren wird, darf er sich als Sieger fühlen: Er könnte die künftige Ausrichtung seiner Partei wesentlich und somit auch die US-Politik insgesamt beeinflussen.
Als Sanders im vergangenen Jahr seine Kandidatur bekannt gab, galt er als ein politisches Kuriosum: ein unabhängiger Senator aus dem kleinen Vermont, der sich selbst als einen demokratischen Sozialisten bezeichnete. Und das, obwohl "Sozialist" in der US-Politik normalerweise eine Beleidigung ist.
Aber seit den ersten Vorwahlen im Februar im US-Vorwahlkampf hat sich Sanders als wichtige politische Kraft offenbart. Er gewann in 18 Bundesstaaten und liegt rund 300 Delegiertenstimmen hinter seiner demokratischen Gegenspielerin und früheren Außenministerin Hillary Clinton. Wenn am Dienstag in West Virginia abgestimmt wird, kommen vermutlich noch ein paar Delegierte für Sanders dazu. Er gilt dort als Favorit.
Millionen kleiner Spenden für Sanders
Der Senator hat eine Graswurzel-Bewegung in Gang gesetzt, die vor allem von jungen Menschen und der Arbeiterklasse getragen wird. Seit Beginn seiner Kampagne hat er 182 Millionen US-Dollar (160 Millionen Euro) in Form von Millionen kleiner Einzelspenden erhalten.
Trotz seinen jüngsten Niederlagen in vier Staaten im Nordosten der USA hat Sanders angekündigt, weiter im Rennen zu bleiben. Auftrieb gab ihm ein Überraschungssieg in Indiana. Dennoch werden seine Chancen, die Nominierung zu gewinnen, immer kleiner.
"Es ist ein steiler und schmaler Grat bis zur Nominierung", sagt Neil Sroka, Kommunikationsdirektor der Lobbygruppe "Democracy for America", die Sanders unterstützt. Während der Senator bei der Zahl der normalen Delegierten gar nicht so schlecht dasteht im Vergleich zu Clinton, hat diese wesentlich mehr sogenannte Superdelegierte hinter sich.
Clinton fehlen weniger als 200 Stimmen
Die 714 Superdelegierten sind aktuelle oder frühere Amtsträger und Parteigrößen, die unabhängig von der Abstimmung in ihren Staaten wählen dürfen. Wenn man diese Superdelegierten mit einbezieht, dann fehlen Clinton weniger als 200 Stimmen, um sich die Nominierung zu sichern und dann im November gegen den voraussichtlichen Republikanischen Kandidaten Donald Trump anzutreten.
"Hillary Clinton hat eine riesige Überlegenheit", findet John Nichols. Seit 25 Jahren berichtet der Journalist für das Magazin "The Nation". Es gilt als progressiv und unterstützt Sanders im Kampf um die demokratische Nominierung.
Nach Ansicht des politischen Beobachters Nichols wird Sanders Kandidatur auch nach einer Niederlage nicht folgenlos bleiben. Seine Unterstützer versuchten, so viel Druck wie möglich aufzubauen, um Verhandlungen mit Clinton zu erzwingen. Sanders könne ausreichend Stimmen erhalten, um eine Kampfabstimmung auf dem Delegiertenparteitag zu erzwingen und so einen Linksruck in der Partei zu erreichen, prognostiziert er.
"Bei einigen der interessantesten Kampfabstimmungen ging es nicht um die Nominierung", betont Nichols im DW-Gespräch. "Es waren Debatten, um die Grundlagen, Werte und das Programm einer politischen Partei zu definieren."
"Wir arbeiten eng mit Senator Sanders zusammen, um sicherzugehen, dass er vor dem Parteitag so viele Delegierte wie möglich auf seiner Seite hat", sagt Kommunikationsforscher Sroka. "Dadurch hoffen wir, dass seine Graswurzelbewegung eine starke und mächtige Stimme auf dem Parteitag hat", fügt er hinzu.
Sanders punktet mit Populismus
Sanders populistische Botschaften haben schon jetzt dazu geführt, dass Clinton bei Themen wie Handel, Mindestlohn und Sozialversicherung auf einen Linkskurs umgeschwenkt ist.
So war Clinton in ihrer Zeit als Außenministerin für das Trans-Pazifische-Freihandelsabkommen TPP. Damit sollen die meisten Beschränkungen für Handel und Investitionen im transpazifischen Raum abgebaut werden. Zu der Freihandelszone gehören die USA und Japan sowie zehn weitere Länder, nicht aber China.
Zu Beginn ihrer Kampagne hielt Clinton sich bei dem Thema bedeckt. Sanders hingegen wetterte gegen das Abkommen und bezeichnete es als Gefahr für Arbeitsplätze in den USA. Inzwischen tritt auch Clinton als TTP-Gegnerin auf.
Anhebung des Mindestlohns ein Streitthema
Beim Thema Anhebung des Mindestlohns gibt es fast eine Art Bieterwettstreit. Derzeit liegt er bei 7,25 US-Dollar. Clinton hat sich für eine Anhebung auf zwölf Dollar ausgesprochen, woraufhin Sanders auf 15 Dollar erhöhte. Auf der Ebene der Bundesstaaten hat sich schon etwas getan: New York und Kalifornien, zwei Schwergewichte in der US-Wirtschaft, haben beschlossen, den Mindestlohn schrittweise auf 15 Dollar anzuheben.
Beobachter Nichols ist der Ansicht, dass die Unterstützer von Sanders einige der Botschaften des Senators in den demokratischen Grundsätzen zementieren und eine Debatte erzwingen könnten über umstrittenere Themen wie dem staatlichen Gesundheitswesen und gebührenfreie Hochschulen.
"Wenn Hillary Clinton die meisten Delegierten gewinnt, dann wird sie Sanders Grundsätze nicht vollständig akzeptieren", sagt Nichols. "Wenn sie trotzdem Aspekte übernehmen würde, könnte sie die Partei hinter sich versammeln und so stärker machen für die Wahl im Herbst."