Chinas "roter Adel" liebt Steueroasen
22. Januar 2014Die Enthüllungen sind für die Reichen und Mächtigen Chinas ein Schock: Keiner der Betroffenen hätte damit gerechnet, einmal namentlich auf einer öffentlichen Liste der "roten Aristokraten" aufzutauchen. Sie sollen undurchsichtige Geschäfte über Steueroasen abwickeln oder Kapital über Briefkastenfirmen in der Karibik verschieben.
Die Enthüllungen stützen sich auf bisher vertrauliche Unterlagen, den sogenannten Offshore-Leaks-Daten, die in Deutschland der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) und dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) vorliegen. Auch nahe Verwandte wichtiger chinesischer Politiker steuern demnach Transaktionen über anonyme Briefkastenfirmen in der Karibik.
In den Dokumenten sollen neben dem Schwager von Staats- und Parteichef Xi Jinping auch der Sohn, die Tochter und der Schwiegersohn von Ex-Ministerpräsident Wen Jiabao auftauchen, wie das Internationale Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) berichtete, das monatelang recherchiert hatte. Selbst der Name eines der Schwiegersöhne des einstigen Reformers Deng Xiaoping finde sich in den Papieren. Mitglieder des Parlaments seien ebenso aufgelistet wie superreiche Unternehmer sowie Führungskräfte von Staatsunternehmen, die in Korruptionsskandale verwickelt gewesen seien, berichteten die weltweit beteiligten Medienhäuser.
Vertrauen verspielt
Chinas Behörden reagierten mit einer Blockade der Berichte im Internet und zensierten Kommentare in sozialen Medien. Die Enthüllungen kommen zu einem ungünstigen Zeitpunkt für Chinas Führer, weil gerade Kritiker vor Gericht gestellt werden, die eine Offenlegung der Vermögen von Politikern fordern. "Das wird das Ansehen von Präsident Xi Jinping und der Partei schädigen", sagt der kritische politische Kommentator Zhang Lifan in Peking. "Er ruft gerade mit Schlagworten zum energischen Kampf gegen die Korruption auf, während gleichzeitig Bürgern der Prozess gemacht wird, die zu einer Offenlegung der Vermögen von Funktionären und ihrer Familien aufgerufen haben". Zhang Lifan spielt dabei auf den Auftakt des Prozesses am Mittwoch gegen den führenden Bürgerrechtler Xu Zhiyong an: "Was für eine Ironie!"
Ein Offshore-Konto zu besitzen oder in der Karibik eine Firma zu eröffnen, ist an sich zwar nicht illegal. Doch öffnet sich damit der Zugang zu einer Schattenwelt, die für Steuerhinterziehung, die Verschiebung von Schmiergeldern oder einfach als Versteck für Vermögen benutzt werden kann. Den illegalen Kapitalabfluss aus China beziffert die US-Denkfabrik Global Financial Integrity (GFI) auf etwas mehr als eine Billion US-Dollar zwischen 2002 und 2011. Das sei mehr als aus irgendeinem anderen Land der Welt. Rund ein Fünftel davon stamme aus Korruption, Diebstahl und Schmiergeldern.
Die fragwürdige Rolle der Banken
In ihren Erkenntnissen über die Verbindungen zwischen Chinas Machtelite und den Steueroasen stützten sich die Journalisten auf 260 Gigabyte mit Informationen über 122.000 Briefkastenfirmen und Trusts aus Steueroasen wie den Britischen Jungferninseln, den Cook-Inseln und Samoa. Die Datensätze hatte ein anonymer Informant vor zwei Jahren dem Konsortium zugespielt. Die Veröffentlichung erster Ergebnisse begann im April 2013 und führte weltweit zu einer Reihe von Ermittlungen. Von den genannten 130.000 Personen trägt jeder Vierte einen chinesischen Namen. So gingen die Journalisten den Vorwürfen nach, dass über dunkle Kanäle Kapital aus China abfließt, Steuergelder hinterzogen und Schmiergelder ins Ausland gebracht werden. Die Unterlagen dokumentieren nach ihren Angaben auch, dass westliche Banken chinesischen Kunden geholfen hätten, "verborgene Strukturen in Steueroasen zu errichten".
Genannt wurde auch die Deutsche Bank, die in Frankfurt dazu sagte: "Die Deutsche Bank bietet vermögenden Privatkunden weltweit Bankdienstleistungen an auf der Grundlage, dass die Kunden ihre Steuerangelegenheiten voll umfänglich regeln und dabei alle Steuergesetze und Meldeverpflichtungen befolgen."
Berichte über das riesige Vermögen der Familien von Präsident Xi und Ex-Premier Wen in der "New York Times" und der Nachrichtenagentur Bloomberg sorgen seit 2012 schon für Unruhe in China. Beiden Politikern wurde allerdings keine direkte Verwicklung nachgewiesen.
rbr/sc (rtr, dpa, afp)