"Angreifen, um zu verteidigen"
15. Juni 2016"Wer die Herzen der Menschen erobert, gewinnt die ganze Welt." Chinas Altphilosoph Menzius formulierte diesen Spruch vor 2000 Jahren - heute ist er offenbar immer noch zeitgemäß. Die aufsteigende Supermacht China will ihr negatives Image loswerden, das von Menschenrechtsverletzungen und Repressalien gegen Minderheiten geprägt ist. Dafür investiert der Staat viel Geld in die öffentliche Diplomatie, um Chinas Ruf in der Welt zu verbessern.
"Natürlich nimmt der Staat die entscheidende Rolle bei der Gestaltung der öffentlichen Diplomatie ein", sagt Anbin Shi, Journalistikprofessor an der renommierten Tsinghua-Universität in Peking. "Die öffentliche Diplomatie kann nur durch die Regierung geführt werden", pflichtet Yong Zhang bei. Er gehörte zu den Gründern der englischsprachigen Ausgabe der überregionalen Tageszeitung "Global Times", die durch nationalistische Berichterstattung bekannt und bei vielen Lesern in China beliebt ist. Aktuell schreibt er für das Organ der KPCh, die "Volkszeitung". Beide Gäste waren Teilnehmer bei einer Paneldiskussion auf dem Global Media Forum der Deutschen Welle. Das Thema: die Rolle der Medien in der öffentlichen Diplomatie.
Globale Präsenz
Es ist kein Zufall, dass der australische Verlag Fairfax Media, Herausgeber der Zeitungen The Sydney Morning Herald, The Age und Australian Financial Review, Ende Mai einen Vertrag mit der englischsprachigen Zeitung "China Daily" abschloss. Demnach wird unter anderem The Sydney Morning Herald, der als Verfechter der Pressefreiheit in Australien gilt, ab Juni monatlich die achtseitige englische Ausgabe von China Daily als Beilage drucken, deren Aufsicht die Abteilung für Propaganda der Kommunistischen Partei innehat. Die China Daily ist schon jetzt in den USA, Europa, Asien und Afrika als Regionalausgabe zu lesen. Nun wird die Lücke auf der Weltkarte geschlossen. Auch die Washington Post druckt gegen Bezahlung dieselbe Beilage mit dem Titel "China Watch".
Der Expansionskurs der chinesischen Medien sei eine Folge der PR-Blamage nach den Olympischen Spielen 2008, sagt Zhang. Beim Fackellauf rund um den Globus seien bei der Liveübertragung Protestaktionen von Exiltibetern oder Menschenrechtsaktivisten zu sehen gewesen. Die Bilder hätten Peking aufgeschreckt: "Spätestens seit dieser Erfahrung ist China fest entschlossen, seine "soft power" in der Welt zu verstärken. Dafür sollen die Kommunikationskanäle in die Welt ausgebaut werden", so Zhang weiter, denn Chinas Image in den westlichen Medien sei momentan negativ.
Chinas Experten sehen sich im Wettkampf um die weltweite Meinungsführerschaft im Nachteil. "Die angelsächsischen Medien sind uns weit voraus", sagt Anbin Shi von der Tsinghua-Universität. Solange dieses Ungleichgewicht und dieses Wahrnehmungsdefizit über China im Westen herrschen, müssen Chinas Medien in die Offensive gehen, um ihr Land zu verteidigen."
Fehlende Transparenz
So beschäftigt das Staatsfernsehen CCTV allein in Washington ein Team von 200 Journalisten und produziert in Nairobi täglich vier Stunden regionalisierte TV-Programme für Afrika. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua betreibt eine Nachrichtenseite in deutscher Sprache unter dem Motto "Fenster zu China".
Wie viel Geld der chinesische Staat für seine Medienaktivitäten im Ausland ausgibt, konnten beide Experten aus China nicht sagen. Westlichen Brichten zufolge betragen die jährlichen Ausgaben zwischen sieben und zehn Milliarden US-Dollar.
Libby Liu von Radio Free Asia sieht ein Ungleichgewicht, wenn es um die Einrichtung von Auslandsbüros geht. "Chinas Medien können problemlos Auslandsbüros eröffnen, in Washington DC, New York, Los Angeles. Gleichzeitig versucht Peking, den Zugang ausländischer Medien nach China zu erschweren." Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" listet China auf der Rangliste der Pressefreiheit 2016 auf Platz 176, dem fünftletzten Platz.