Deutsche nicht reisemüde, aber vorsichtig
8. März 2016Die deutsche Reise-Branche hat ein neues Lieblingswort: Sicherheit. Denn fehlende Sicherheit in vielen Urlaubsländern schreckt viele Deutsche noch von der Buchung ihres Sommerurlaubs ab. "Das führt dazu, dass Gäste abwägen, abwarten und zögerlicher buchen", sagt Michael Frenzel, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Tourismus-Wirtschaft (BTW), vor dem Beginn der weltgrößten Tourismus-Messe ITB in Berlin.
Terror-Angst, Flüchtlingskrise oder politische Spannunen in früheren Urlaubsparadisen: Nach einer aktuellen Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) haben bis Ende Januar eine Million Deutsche weniger ihren Sommerurlaub gebucht als 2015. Die Branche hofft noch auf eine baldige Trendumkehr. "Die Menschen sitzen vielleicht noch nicht alle auf gepackten Koffern, aber ich bin sicher, dass sie noch packen werden", so Frenzel.
Buchungen in Mittelmeer-Staaten brechen ein
Vor allem Länder wie Ägypten, Tunesien oder die Türkei finden die Deutschen mehrheitlich nicht mehr sicher. Die Buchungen für einen Sommerlaub in der Türkei sind um 40 Prozent eingebrochen.
2015 lag die Türkei noch auf Platz 3 der beliebtesten Reiseländer der Deutschen. "Die Zurückhaltung vieler Kunden ist aufgrund der schrecklichen Ereignisse der letzten Zeit häufig mit der Frage nach der Sicherheit des Reiseziels verbunden", sagt der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Norbert Fiebig.
Ironischerweise könnte die Terror-Angst auch das diesjährige Partnerland der ITB treffen: die Malediven. Nach einem Bericht der Gesellschaft für Konsumforschung verzeichnet auch der Inselstaat im Indischen Ozean Umsatzrückgänge bei Urlaubsreisen. Doch Gefahr durch gewaltbereite Islamisten gebe es auf den Malediven nicht, weist Tourismusminister Moosa Zameer solche Vorwürfe entschieden zurück. Entsprechende Medienberichte seien eine "politische Kampagne, um den Ruf der Malediven zu beschädigen", behauptet der Minister. Die Terrorgefahr sei nicht größer als in anderen Ländern auch.
So viele Deutsche auf Reisen wie noch nie
Trotz schleppender Zahlen bleibt die Reise-Branche verhalten optimistisch. "Von grundsätzlicher Urlaubsmüdigkeit kann keine Rede sein", sagt DRV-Chef Fiebig. Die Rahmenbedingungen sind günstig - niedrige Arbeitslosenzahlen und steigene Einkommen bei vielen Deutschen. Ob die Reise-Branche an die sehr guten Zahlen des Jahres 2015 anschließen kann, bleibt aber fraglich. 1,67 Milliarden private Reisetage verbrachten die Deutschen im letzten Jahr - so viele wie noch nie. Damit war jeder Deutscher im In- und Ausland im Schnitt 21 Tage unterwegs. Auch Deutschland wird als Reiseland immer populärer: Mit 436 Millionen Übernachtungen im Jahr 2015 konnte die Reisebranche einen neuen Erfolg melden.
Sorgen macht sich die Reise-Branche auch um Europa. Aufgrund steigender Flüchtlingszahlen haben einige europäische Staaten wieder Grenzkontrollen eingeführt. Ein endgültiges Ende des Schengen-Raumes mit offenen europäischen Binnengrenzen würde auch die Tourismus-Wirtschaft treffen. "Wir unterstützen alle politischen Initiativen, diese Reisefreiheit zu bewahren, keine neuen Grenzen aufzubauen, weil das nicht nur für die Gesamtwirtschaft, sondern auch für den Tourismus im Speziellen schädlich sein würde", so BTW-Chef Frenzel.
Die Flüchtlingskrise wird auch in anderer Hinsicht ein Thema auf der ITB sein. Die Tourismuswirtschaft will sich auch als potenzieller Arbeitgeber für Flüchtlinge präsentieren. Bereits jetzt haben 30 Prozent der Beschäftigten in der deutschen Tourismus-Wirtschaft einen Migrationshintergrund.
Aussteller-Rekord zum 50. Geburtstag
Die Krise der Tourismus-Industrie ist aber noch keine Krise für die weltgrößte Tourismus-Messe ITB. Zum 50. Geburtstag der Messe in Berlin haben sich rund 10.000 Aussteller aus 180 Ländern und Regionen angemeldet - ein Rekord. 1966 hatte die Messe mit gerade mal neun Ausstellern aus fünf Ländern begonnen. Die diesjährige ITB endet am 13. März.