Ein Buch in 15 Minuten
24. Juli 2009London gilt als Paradies für Buchliebhaber und zwar schon seit über 500 Jahren. Die Charing Cross Road, einen Katzensprung vom Trafalgar Square entfernt, ist ihr Mekka. Doch immer mehr Buchläden müssen schließen. Stattdessen gibt es Sandwichketten, Wettbüros, amerikanische Cafes und große Buchhandelsfililalen, die sich die gigantischen Mieten - noch - leisten können.
Ein eigenes Buch für 15 Pfund
In der Buchhandlung Blackwell's, das akademische Bücher verkauft, steht ein Ungetüm, das die Branche retten soll. Es ist breit wie eine Tiefkühltruhe, hat oben zwei Bildschirme und unten einen dicken Briefschlitz. Die so genannte "Espresso Buch Maschine" druckt und bindet innerhalb von fünf Minuten ein perfektes Buch.
Eine junge Chinesin kommt in den Laden. Sie ist Malerin und möchte ein Buch mit ihren Bildern drucken lassen. "Die erste Kopie kostet 15 Pfund und wenn sie mir gefällt, lasse ich mehr drucken. 60 Seiten für fünf Pfund – das ist total billig", erklärt Tag Yong Tschong.
Unendlich viele Bücher
Die Malerin überreicht dem Ingenieur ihre Diskette. Jake Jutton speist die Daten in den Computer ein und bespricht das Format mit Tag Yong Tschong. Die Maschine schluckt, ruckelt und stoppt. Jake Jutton öffnet das Gehäuse. "Es ist eine verrückte Konstruktion, aber sie funktioniert wunderbar - wenn sie funktioniert", sagt der Ingenieur. Der Drucker spuckt die fertigen Blätter in ein Tablett.
Die Maschine kann nicht nur Bücher drucken, die noch nicht auf dem Markt sind; sie kann auch Exemplare nachdrucken, die gerade nicht vorrätig sind: Per Internet hat das Gerät Zugriff auf eine zentrale Datenbank mit rund 500.000 Titeln - darunter Werke, an denen niemand mehr die Verlagsrechte hat oder die längst vergriffen sind. "Neulich kam ein Herr, der jagte seit 34 Jahren hinter einem Buch her: Wir loggten uns in das Archiv ein und druckten das Faksimile. Er hat sich wahnsinnig gefreut", erzählt Phill Jamieson, Sprecher der Buchhandlung "Blackwell's".
Frisch gedruckt und immer verfügbar
Die frisch gedruckten Exemplare kosten nicht mehr als die Bücher in den Regalen. Die zentrale Datenbank berechnet auch, was den Autoren und Verlagen zusteht. Vergriffene Bücher sind teurer als gut verfügbare. Inzwischen druckt die "Espresso Buch Maschine" den Einband, klebt, bindet und schneidet die Innenseiten. Jake Jutton hält ein geflochtenes Körbchen unter den Briefschlitz - es bleibt leer.
Nach einigem Stochern ortet er das Objekt: Es ist durchgefallen. "Typische Geburtswehen", sagt Phil Jamieson. Einmal gefunden ist es dennoch ein perfektes Taschenbuch, das sich in nichts von seinen Artgenossen in den Regalen unterscheidet. "Damit können Buchläden ihr Sortiment enorm erweitern und - im Gegensatz zu Online-Anbietern - sofort auf jeden Kundenwunsch reagieren. Gleichzeitig sparen wir unendlich viel Platz, das ist vor allem für kleine Geschäfte ein Riesenvorteil."
Noch kostet die "Espresso Buchmaschine" 70.000 Pfund, aber in ein paar Jahren soll sie auch für kleinere Läden erschwinglich sein. Doch für viele unabhängige Buchgeschäfte in der Charing Cross Road kommt die Erfindung zu spät.