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Ein Nachbar namens Boateng

Thomas Klein (Evian-les-Bains)13. Juni 2016

Die DFB-Elf gewinnt verdient gegen die Ukraine. Zwei Personen stehen nach dem Spiel im Fokus: Boateng sorgt für Glücksgefühle bei den Fotografen und Kapitän Schweinsteiger lässt sich feiern, traut sich aber noch mehr zu.

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Frankreich Fußball-EM Deutschland vs. Ukraine in Lille, Rettungstat Jerome Boateng (Foto: Reuters/Benoit Tessier)
Akrobatisch: Jerome Boateng (r.) rettet im Rückwärtsfallen und verhindert so auf spektakuläre Weise ein EigentorBild: Reuters/B. Tessier

Es war bereits 3:50 Uhr als die deutsche Nationalmannschaft im Manschaftsquartier in Evian-les-Bains ankam. Leicht übermüdet, aber erleichtert ob des guten Turnierstarts stiegen Bundestrainer Joachim Löw und seine Mannschaft aus dem Teambus, der sie vom Flughafen in Annecy zurück nach Evian-les-Bains gebracht hatte. Trotz der späten Uhrzeit begrüßten die Hotelangestellten die DFB-Elf mit großem Applaus. Einige Medienvertreter waren auch gekommen, um die ersten Schritte der Nationalmannschaft zu begleiten, Interviews gab es aber keine.

Das hatte wenige Stunden zuvor noch anders ausgesehen: In der Mixedzone des Stade Pierre Mauroy in Lille stand Kapitän Bastian Schweinsteiger der Presse gerade ein letztes Mal Rede und Antwort als Mario Götze ihm anerkennend auf die Schulter klopfte. "Goalgetter", sagte Götze und grinste. Ein "Goalgetter" müsse aber mehr spielen als drei Minuten meinte der RTL-Reporter und Schweinsteiger erwiderte: "Beim nächsten Spiel traue ich mir 20 Minuten mehr zu." Der Kapitän, der nach langer Verletzungspause sein Pflichtspiel-Comeback feierte, ist zurückhaltend, vielleicht fehlt ihm aber auch noch ein bisschen die Puste.

Löw: "Bastian Schweinsteiger ist Gold wert"

"Meine Verletzung ist ausgeheilt, ich fühle mich gut. Der Weg nach dem Jubel war lang, ich bin ein bisschen außer Atem", sagte der Torschütze zum 2:0. "Es war unglaublich, dass es so etwas gibt, kann man sich nur wünschen. Das Wichtigste ist, dass die Mannschaft gewinnt."

Frankreich Fußball-EM Deutschland vs. Ukraine in Lille
Drei Minuten haben Bastian Schweinsteiger gereicht um sein erstes EM-Tor zu erzielenBild: picture-alliance/Revierfoto

Für den Kapitän war das Spiel ein perfekter Start in die Europameisterschaft, sogar der Bundestrainer war etwas überrascht. "Eigentlich war nicht geplant, dass Schweinsteiger so weit vorne auftaucht", sagte Löw. "Das 2:0 war dann der Genickbruch für Ukraine. Es ist wichtig von seiner Persönlichkeit, seiner Erfahrung, er kann einer Mannschaft viel geben. Ein Bastian Schweinsteiger ist Gold wert."

Boateng: "Ich war selbst erschrocken"

Ein anderer, der sich gegen die Ukraine in den Fokus spielte, erzielte zwar kein Tor, verhinderte aber eines - und zwar spektakulär. Jerome Boateng wehrte eine Flanke von Jewgeni Konopljanka zunächst mit dem Körper ab und kratzte das Leder dann akrobatisch im Rückwärtsfallen von der Torlinie. "Ich war selber erschrocken, der Ball kam mit vollem Tempo aus der anderen Richtung", sagte Boateng im TV-Interview mit der ARD. "Ich musste den Ball irgendwie wegschlagen und bin im Netz gelandet, aber zum Glück hat es noch geklappt." Nur wenige Minuten später war das Foto der Rettungstat im Internet zu bewundern.

Die Sportschau twitterte das Bild mit dem Titel: "Gut, dass Neuer Boateng als Nachbar hat!" Eine Anspielung auf die Entgleisung des AfD-Politikers Alexander Gauland. Der 75-Jährige hatte in einem Zeitunsinterview gesagt: "Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben." Von wegen! Nicht nur DFB-Torwart Manuel Neuer dürfte das anders sehen, denn Boateng zeigte mal wieder eine starke Leistung. Auch Löw konnte sich einen Seitenhieb auf die AfD nicht verkneifen. "Es ist gut, wenn man einen Jerome als Nachbarn hat in der Abwehr", sagte er auf der Pressekonferenz und schmunzelte.

Hummels meldet sich fit

Nach einer kurzen Nacht steht für die DFB-Elf nun die Aufarbeitung des Spiels auf dem Programm. Im Anschluss an die Regeneration am Vormittag und eine kurze Trainingseinheit dürfte sich der Bundestrainer mit seinem Team der Analyse widmen und wohl besonderen Fokus auf das Abwehrverhalten legen. Denn das sah bis auf Boateng nicht immer sicher aus. Für das Spiel gegen Polen am Donnerstag (21 Uhr MESZ, ab 20:45 Uhr im DW-Liveticker) könnte Löw daher auf eine Alternative zurückgreifen, denn der angeschlagene Mats Hummels meldete sich fit und einsatzbereit. "Wir haben es richtig gut hingekriegt", sagte er nach dem Auftaktsieg, sprach dabei nicht über das Spiel, sondern über seinen Heilungsfortschritt. "Wir haben keinen einzigen Tag vertrödelt." Ob er gegen Polen allerdings wirklich zum Einsatz kommt, oder ob Löw weiter auf die Abwehrreihe des ersten Spiels setzt, entscheidet sich erst in den kommenden Tagen.