EU-Gipfel erleichtert über Abwendung von US-Zöllen
22. März 2018Der zweite Jahrestag eines schweren Terroranschlags in Brüssel und Dauerregen bildeten den düsteren Rahmen für diesen Gipfel. Dazu kamen die Sorgen, US-Präsident Donald Trump könne happige Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium aufschlagen. Doch während die Staats- und Regierungschefs im Brüsseler Ratsgebäude konferierten, kam die Meldung: Washington werde die Europäer vorläufig davon ausnehmen, so wie die US-Regierung zuvor schon Kanada und Mexiko von solchen Einfuhrzöllen ausgenommen hatte. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hatte sich in den USA dafür eingesetzt und auch der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier - offenbar mit Erfolg.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte bei ihrer Ankunft in Brüssel, sie erhoffe sich vom Gipfel ein gemeinsames "Bekenntnis zum Freihandel und gegen Protektionismus". Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nannte die EU einen "Bezugspunkt" für einen offenen und fairen Welthandel. Zumindest vorläufig ist ein Handelskrieg damit abgewendet. Hätte Trump seine Drohung wahrgemacht, hätte die EU möglicherweise Gegenmaßnahmen beschlossen.
Moskau braucht weitere Sanktionen nicht zu fürchten
Auch die Verhandlungen mit Großbritannien über den Ausstieg aus der EU und das künftige Verhältnis nach dem Brexit werden überschattet, in diesem Fall von dem tödlichen Giftgasanschlag auf einen russischen Ex-Agenten und dessen Tochter im englischen Salisbury Anfang März. Die britische Premierministerin Theresa May beschuldigt die russische Regierung, hinter dem Anschlag zu stehen, und hofft, dass sich die EU-Staaten darin voll hinter sie stellen werden. Ganz so weit dürfte die EU allerdings nicht gehen. Im jüngsten Entwurf der Abschlusserklärung heißt es, man verurteile den Angriff auf Sergej Skripal "auf das Schärfste".
Das ist eine leichte Steigerung gegenüber der Formulierung der EU-Außenminister, die am Montag das Attentat "scharf" verurteilt und Großbritannien "uneingeschränkte Solidarität" zugesichert hatten. Doch dürften die Staats- und Regierungschefs Moskau nicht direkt verantwortlich machen. Es heißt immerhin, man nehme die britische Einschätzung "äußerst ernst, dass es höchst wahrscheinlich ist, dass die Russische Föderation verantwortlich ist". Sollte es bis Gipfelende dabei bleiben, hätten vor allem Griechenland und Italien eine härtere Formulierung verhindert. Beide treten für eine Entspannung im Verhältnis mit Russland ein, das ohnehin durch die russische Annexion der Krim und den bewaffneten Konflikt mit der Ukraine arg belastet ist. May versuchte in Brüssel, das Attentat als relevant für alle Europäer hinzustellen, als sie sagte, es sei "Teil eines Musters russischer Aggression gegenüber Europa und seinen Nachbarn".
Der Streit um die möglichen Konsequenzen aus dem Attentat zeigt auch, wie weit die Meinungen in der EU dabei auseinander gehen. Manfred Weber, der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, ist für weitere Strafmaßnahmen. "Wir haben einen nicht erklärten modernen Krieg Russlands gegen die Europäische Union", sagte Weber. Die EU müsse auf die Destabilisierungsversuche Moskaus mit Stärke statt mit Naivität reagieren.
Doch bereits die bestehenden Sanktionen sind umstritten, weil mehrere Staaten ihre Geschäfte mit Russland lieber heute als morgen gern wiederaufnehmen würden. Für weitere Sanktionen fehlt beim Gipfel offensichtlich die Einigkeit. Stirnrunzeln - nicht nur in London - hatte auch ausgelöst, dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Sonntag zu dessen Wahlsieg gratuliert hatte. Nach einer Wahl, die nach allgemeiner westlicher Einschätzung alles andere als frei und fair war.
Neue britische Pässe aus Frankreich
Die Verhandlungen zwischen Großbritannien und dem Rest der EU um den Brexit und das künftige Verhältnis haben unterdessen an Schärfe verloren, worüber alle froh sind. Langsam bewegt man sich auf eine Einigung zu. Der irische Ministerpräsident Leo Varadkar betonte aber noch einmal in Brüssel: "Es kann kein Abkommen geben, wenn eine 'harte' Grenze nicht vermieden wird." Die Iren wollen unbedingt verhindern, dass es in Zukunft Grenzkontrollen zu Nordirland gibt, das zum Vereinigten Königreich gehört. Das Problem ist weiter ungelöst und stellt einen der größten Stolpersteine für eine Einigung dar.
Eine geradezu komische Note bekommt unterdessen der Brexit-Prozess durch die Nachricht, die neuen, alten britischen Pässe würden in Zukunft in Frankreich gedruckt. Großbritannien will, auch als Zeichen wiedergewonnener Souveränität, statt der burgunderroten gemeinsamen europäischen Pässe zu den traditionellen blauen zurückkehren. Die waren bisher in Nordengland gedruckt worden. Eine französische Firma habe den britischen Hersteller aber preislich unterboten und den Zuschlag erhalten, hieß es von britischen Regierungsstellen lakonisch.