EU-Indien-Gipfel
30. November 2007Seit 45 Jahren unterhalten die EU und Indien diplomatische Beziehungen - und dennoch hatte Indien im Vergleich zu China lange Zeit das Nachsehen. Erst 2004 beschlossen Indien und die Europäische Union auf ihrem gemeinsamen Gipfel in Den Haag eine strategische Partnerschaft. Damit erkannte die Europäische Union offiziell Indiens gewachsene Bedeutung im internationalen System an. Das Land ist eine Atommacht und fordert schon lange einen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.
Handelvolumen: Eine Milliarde pro Woche
Die EU ist Indiens größter Handelspartner. Pro Woche beträgt das Handelvolumen zwischen Indien und der EU mehr als eine Milliarde Euro, berichtet Daniele Smajda, Vorsitzende der Delegation der Europäischen Kommission. Die Investitionen der EU-Länder sind hingegen noch gering: Im vergangenen Jahr investierten die 27 EU-Länder insgesamt nur 1,6 Milliarden Euro in Indien.
Indien braucht EU-Technologie
Indien mit seiner stetig wachsenden Bevölkerung von 1,1 Milliarde Menschen und einer immer größer werdenden Mittelschicht sei zudem ein interessanter Absatzmarkt für Produkte europäischer Unternehmen. Laut Professor Ummu Salma Bava von der Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu-Delhi schätzen die Inder vor allem die herausragenden Technologien der Europäer. Und genau diese bräuchte Indien: "Gleichzeitig ist Indien aber auch ein sich so schnell wandelndes Land, dass nicht nur Technologien braucht, sondern diese inzwischen selbst entwickelt. Beide Seiten können also davon profitieren, wenn sie noch enger zusammenarbeiten."
Umwelt und Entwicklung – ein Dilemma
Doch Indien steht vor großen Herausforderungen. Derzeit liegt das jährliche Wirtschaftswachstum bei durchschnittlich 8 Prozent. Die indische Regierung will die Milleniumsziele der Vereinten Nationen unbedingt erreichen, also die Armut im Land erheblich reduzieren.
Doch Indien und China mit ihrer stetig voranschreitenden Industrialisierung gelten als die größten Umweltverschmutzer in Asien. Und das sei ein Dilemma für Indien, erklärt Bava: "Soll Indien, nur um die Umweltverschmutzung zurückzufahren, seine Entwicklung stoppen? Das ist nicht möglich. Denn Indien braucht den Fortschritt, um seine riesige Bevölkerung zu versorgen." Hinzu kommt, dass Vorgaben die für europäische Länder gelten, nicht so einfach auf Entwicklungsländer wie Indien mit seinen vielfältigen Problemen zu übertragen seien.
Außenpolitik? Indien ist stur
Bisher stellte sich Indien immer auf stur. Und auch Indiens außenpolitischer Pragmatismus führte in der Vergangenheit zu Irritationen. Die EU fordert, dass sich Indien - als größte Demokratie der Welt - bei internationalen Konflikten nicht hinter der Doktrin verstecken dürfe, dass es sich in interne Angelegenheiten von Nachbarstaaten nicht einmische.
Beispiel Myanmar: Indien schloss Handelsabkommen und Waffenlieferverträge mit dem Militärregime. “Egal, ob irgendein europäisches Land seinen Kommentar zum Regime in Myanmar abgibt: Das Problem existiert ja auch nicht vor deren Haustür," sagt Bava. "Indien und Myanmar haben eine gemeinsame Grenze. Nur mit Druck ist kein Regierungswechsel zu erreichen. Immer heißt es, Indien habe zwei Gesichter. Aber wenn man sich wirklich so sehr für den Schutz der Menschenrechte einsetzt - warum treibt dann jedes Land auf dieser Welt mit China Handel?“
Professor Bava fordert daher, dass man die wirtschaftliche und historische Situation Indiens näher betrachten müsse, um tatsächlich zu einer differenzierten Betrachtung von Indiens Außenpolitik kommen zu können.
Noch brauche Indien die EU mehr als die Europäische Union Indien, so Bava. Doch schon in wenigen Jahren könne dies anders sein.