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"Europa in rechtlicher Pflicht zu helfen"

Das Interview führte Lisa Hemmerich11. Juli 2006

Der Flüchtlingsstrom von Afrika nach Europa reißt nicht ab. UNHCR-Sprecher William Spindler äußert sich im Gespräch mit DW-WORLD.DE über die Pflichten der EU in der Migrationspolitik.

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Flüchtlinge überwinden große Hürden in der Hoffnung auf ein besseres LebenBild: AP

DW-WORLD.DE: Am Montag und Dienstag beraten in Marokko 60 Minister afrikanischer und europäischer Staaten über Möglichkeiten der Zusammenarbeit bei der Migrationspolitik. Auch 20 internationale Organisationen nehmen an der Konferenz teil, darunter der UN-Flüchtlingskommissar (UNHCR). Welche Rolle spielt der UNHCR bei der europäisch-afrikanischen Konferenz?

William Spindler: Unser Aufgabenbereich ist nicht direkt Migration, weshalb der UNHCR nicht der Organisator der Konferenz ist, sondern die EU auf Initiative der Regierungen von Marokko, Spanien und Frankreich. Aber der UNHCR ist zur Konferenz eingeladen worden und wird dort auch vorsprechen. Für den UNHCR hat die Beachtung von Menschenrechten absolute Priorität bei Flüchtlingen. Die meisten Menschen, die versuchen nach Europa zu fliehen, sind Wirtschaftsflüchtlinge. Aber unter ihnen sind auch Flüchtlinge, die vor einem Krieg oder Verfolgung fliehen. Die Rolle des UNHCR ist dabei nicht nur zu warnen, sondern auch zu helfen. Wir wollen die Teilnehmer anregen, die unterschiedliche Situation zwischen Migranten und Asylbewerbern berücksichtigen. Immigranten suchen ein besseres Leben, flüchten vor Armut und Hunger. Asylsuchende fliehen vor Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen. Ihre unterschiedlichen Motive verlangen unterschiedliche Maßnahmen.

Euro-African Conference on migration and development Logo
Erste europäisch-afrikanische Konferenz zur MigrationspolitikBild: maec

Wie beurteilen sie die derzeitigen Maßnahmen der EU im Umgang mit Migration?

Die EU sollte auch die Vorteile von Migration wahrnehmen und Migration nicht nur als Problem ansehen. Ebenso sollte Europa die Entwicklung voranbringen, denn solange es Armut gibt, werden Menschen versuchen ihr Land zu verlassen. Die Antwort der EU sollte also in den Ursachen der Migration liegen.

Wie kann die EU das realisieren?

Sie sollte alle Aspekte von Migration berücksichtigen. Angefangen bei den Herkunftsländern, über die Transitländer, wie zum Beispiel die Nordafrikanischen Staaten, die ebenfalls arm sind und Hilfe gebrauchen, bis hin zu den Aufnahmestaaten. Der Grund, weshalb so viele Menschen nach Europa kommen ist die Nachfrage nach Arbeit. Die EU braucht eine realistische Entwicklungspolitik. Der UNHCR konzentriert sich auf Flüchtlinge, die nicht mehr in ihre Heimatländer zurück können. Diesen Menschen muss die EU Schutz bieten. Die EU hat dazu eine moralische und rechtliche Verpflichtung. Die EU kann dazu unsere Vorschläge berücksichtigen und Beschlüsse durchsetzen, die die Menschen nach ihren Bedürfnissen trennen. Ich sage nicht, dass die EU jedem erlauben sollte herzukommen, aber es gibt Menschen, die hierher kommen, weil sie verfolgt werden und bei ihnen hat die EU keine Wahl.

Flüchtlinge auf den Kanaren
Nach Überqueren der europäischen Grenze können Einwanderungswillige einen Asylantrag stellenBild: AP

Gibt es denn Alternativen zur Flucht?

In manchen Fällen, ja. Bei Menschen, die vor Verfolgung fliehen gibt es in manchen Fällen Möglichkeiten innerhalb des Landes zu bleiben. Aber, wie wir wissen, gibt es viele Gegenden in denen Menschenrechte konstant missachtet werden, wo Menschen verfolgt werden, aus religiösen oder ethnischen Gründen. In vielen Fällen können die Menschen in ihrem eigenen Land keinen Schutz suchen, weshalb sie das Land verlassen müssen. Andere Staaten haben die Verpflichtung sie zu empfangen. Das ist die Basis der internationalen Flüchtlingskonvention.

Wie viele Menschen flüchten aus der Subsahara-Region nach Europa?

Wir reden hier über eine sehr kleine Zahl von Menschen, eine Zahl die konstant abnimmt. In Afrika gibt es drei Millionen Migranten. Im Vergleich dazu suchen 238.000 Menschen aus aller Welt in Europa Asyl, davon stammen lediglich elf Prozent aus Subsahara-Staaten. Damit ist die Zahl der Asylsuchenden in Europa die niedrigste seit 25 Jahren, weshalb es auch kein Problem mit Asylbewerbern gibt, sondern ein Problem der Wahrnehmung. In Europa spricht man von einer zunehmenden Zahl von Asylsuchenden, aber das ist nicht wahr. Es muss eine realistische Politik gemacht werden, die die Menschenrechte beachtet.