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'Italien vor neuer Ära'

Das Gespräch führte Kyle James8. April 2008

Bei den Parlamentswahlen in Italien steht viel auf dem Spiel. Wird Berlusconi erneut Ministerpräsident? Das will Laura Garavini verhindern helfen - als Kandidatin der Demokratischen Partei für die Auslands-Italiener.

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Viel unterwegs: Laura GaraviniBild: picture-alliance/dpa

Laura Garavini hat Italien vor 20 Jahren verlassen. Seitdem lebt sie in Deutschland. Trotzdem hofft sie, bald als Kandidatin der gemäßigt linken Demokratischen Partei im italienischen Parlament zu sitzen. Auslands-Italiener dürfen nämlich ihren eigenen Abgeordneten nach Rom wählen. Kilometer zählen für Laura Garavini nicht. Dürfen sie auch nicht, denn ihr Wahlbezirk ist groß. Er erstreckt sich von Lissabon bis Wladiwostok.

DW-WORLD.DE: Ihr Wahlbezirk ist, gelinde gesagt, recht groß. Wo waren Sie in letzter Zeit überall?

Laura Garavini: Ich war in London, Amsterdam, Belgien, Frankreich und Deutschland. Bei so einem großen Wahlbezirk ist es natürlich nicht möglich, einen traditionellen Wahlkampf zu führen. Was meinen Terminkalender angeht, habe ich versucht eine gute Mischung aus großen Städten und kleineren Orten zu organisieren. Hier kommt auch meine Internetseite ins Spiel, denn sie erlaubt mir Kontakt zu den Wählern zu behalten, die mir per E-Mail schreiben. Es beansprucht zwar eine Menge Kraft und Zeit, aber es ist unglaublich wichtig Menschen zu erreichen, entweder persönlich oder übers Internet.

Die Anliegen von Italienern in London sind sicherlich ganz anders als die von Italienern in Istanbul. oder?

Da gibt es große Unterschiede. Das hat eine Menge mit dem historischen Hintergrund der Emigration in die verschiedenen Länder zu tun. Bei meinen Auftritten in London sehe ich beispielsweise viele Menschen, die Teil der jüngeren Emigration sind. Das sind bestens ausgebildete junge Menschen, die aus beruflichen Gründen nach England gegangen sind. Auf der anderen Seite gibt es aber die Länder, in die Italiener in den 1960er-Jahren ausgewandert sind, als sie nach Arbeit suchten. Die Probleme oder die Politik, die sie gerne in Rom verwirklicht sehen wollen, sind komplett unterschiedlich.

Sie haben sehr viel von Ihrem Privatvermögen in den Wahlkampf gesteckt und haben einen aufreibenden Zeitplan. Was motiviert Sie?

Ich bin davon überzeugt, dass Italien bei dieser Wahl vor einer neuen Ära steht. Mit der Demokratischen Partei von Walter Veltroni hat Italien die Chance, sich radikal zu modernisieren. Wir können einen wirtschaftlichen Boom hervorbringen, der auch zu größerer sozialen Gerechtigkeit führen wird. Wir könnten helfen, mehr junge Menschen und Frauen in den politischen Prozess einzubinden. Wir könnten das Land erneuern. Es ist wichtig, dass man selbst bereit ist, sich für dieses Ziel zu engagieren. Deshalb bin ich Kandidatin.

Schreckt es Sie, dass Italien vor einer erneuten Ära Berlusconi stehen könnte?

Silvio Berlusconi, Quelle: AP
Viele haben Angst vor einer neuen Regierung unter Silvio BerlusconiBild: AP

Leider gibt es diese Gefahr. Deshalb ist es so wichtig, dass wir vor der Wahl alles Mögliche tun, um mit den Menschen zu reden und ihnen klar zu machen, wie sehr wir Italiener im Aus- und Inland unter Berlusconi gelitten haben. Wir mussten uns fast täglich wegen irgendwelcher dummen Witze oder Gesten von Berlusconi schämen. Er hat eine Politik verfolgt, die in seinem eigenen Interesse war oder von der seine Freunde und Familie profitierten. Die Demokratische Partei aber möchte eine Regierung, die für alle da ist.

Wo werden Ihre Prioritäten liegen, wenn sie gewinnen sollten?

Ich möchte an einer Politik mitwirken, die die Integration von Italienern in Ausland voranbringt. Zwar gibt es schon Beratungsstellen für Italiener in ganz Europa. Aber sie befassen sich meistens nur mit Fragen zur Rente. Dabei gibt es viele andere wichtige Themen für den Integrationsprozess.

Wenn man von Integrationsproblemen in Deutschland hört, ist normalerweise die türkische Bevölkerung gemeint. Die Italiener werden in Deutschland als gut integriert betrachtet. Aber stimmt das denn?

Man denkt, dass Italiener gut integriert sind. Aber in Wahrheit werden italienische Kinder häufiger in Förderunterricht geschickt als türkische Kinder. Die Arbeitslosenquote unter Italienern ist doppelt so hoch wie unter den Deutschen und fast so hoch wie unter den Türken. Während Integrationsprobleme von Türken oder anderen Minderheiten in Deutschland bewusst sind, werden die von Italienern unterschätzt.

Haben die Deutschen immer noch Vorurteile gegenüber Italienern?

Vorurteile gibt es immer noch. Ich bin Initiatorin der Aktion "Mafia, nein Danke". Ich habe diese Aktion aus unterschiedlichen Gründen ins Leben gerufen. Einer davon war, dass nach dem Anschlag in Duisburg (Dabei wurden sechs Männer getötet. Man geht davon aus, dass es eine Mafia verwandte Fehde war. Anm.d.R.) diese alten Vorurteile wieder neuen Wind bekam. In Zeitungen konnte man Überschriften wie "Wo es eine Pizza gibt, da gibt es auch die Mafia" lesen. Das sind natürlich lächerliche Stereotypen, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben.

Sie sind im großen Stil herumgereist und haben mit vielen im Ausland lebenden Italienern gesprochen. Wie groß ist das Interesse an der Wahl?

Ja, die Orte, an denen ich mich hinsetzen und mit den Menschen sprechen konnte, habe ich mit einem sehr guten Gefühl verlassen. Zu Beginn unseres Gespräches haben viele ihre Enttäuschung ausgedrückt. Aber wenn ich dann erklärt habe, welche konkreten Fortschritte die Prodi-Regierung in den letzten zwei Jahren gemacht hat, was die Demokratische Partei vorhat und wie ernst es ihr mit dem Ziel eines nationalen Erneuerung ist, und wenn sie mich dann als junge Frau gesehen haben, die seit 20 Jahren für die Integration arbeitet und eine Anti-Mafia-Kampagne begonnen hat, dann habe ich bei den Menschen eine Bereitschaft und das Verlangen gespürt, wählen zu gehen.