Jubel und Wut in Mali
31. Juli 2013Bamako am Dienstagabend (30.07.2013): Vor allem junge Menschen ziehen durch die Straßen der malischen Hauptstadt, halten Poster hoch und rufen immer wieder: IBK. IBK - das ist der Präsidentschaftskandidat Ibrahim Boubacar Keïta. Viele Worte machen sie nicht, sondern recken lieber den rechten Daumen in die Höhe. Für sie ist IBK der neue malische Präsident.
So werten die IBK-Anhänger die Aussage von Oberst Moussa Sinko Coulibaly, Minister für territoriale Verwaltung, der am frühen Abend die vorläufigen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl vom Sonntag verkündet hatte: "Schon jetzt zeichnet sich eine Tendenz ab: Es gibt einen Kandidaten, Kandidat Ibrahim Boubacar Keïta, der den anderen Kandidaten gegenüber einen großen Vorsprung hat." Doch nicht nur das. Wenn sich dieser Vorsprung bestätigt, dann hat IBK bereits in der ersten Runde die absolute Mehrheit geholt.
Ergebnis ohne Zahlen
Auf die vorläufigen Ergebnisse hatten die Journalisten den ganzen Dienstagnachmittag über im Ministerium für territoriale Angelegenheiten gewartet. Doch trotz der "eindeutigen Tendenz" verwirrt der Minister. Mehrmalige Nachfragen helfen nicht. Oberst Moussa Sinko Coulibaly nennt keine einzige Zahl. So weiß niemand, ob Ibrahim Boubacar Keïta bei 50,5 Prozent oder vielleicht bei 57 Prozent liegt.
Genau das heizt seitdem in Bamako die Spekulationen kräftig an, vor allem bei der Opposition. Die war bereits am Sonntagabend kurz nach Schließung der Wahllokale aufgeschreckt worden. Schon da sagte ein Radio-Sender die absolute Mehrheit für IBK voraus. Doch die Wogen glätteten sich wieder. Die Kandidaten betonten: Sie wollen sich erst nach der offiziellen Bekanntgabe der Ergebnisse äußern. Jetzt gibt es zwar möglicherweise einen Sieger, aber noch keine Zahlen.
"Das schafft Probleme"
Inna Maïga steht vor dem Wahlkampfbüro von Soumaïla Cissé. Er ist ihr Favorit. Sie hat für ihn gestimmt und gehofft, dass er es schafft. Jetzt ist sie aber vor allem eins: wütend. "Wir haben den Minister aufgefordert, Prozentzahlen zu nennen. Aber das hat er nicht getan. Wirklich wahr. Das schafft Probleme", prognostiziert sie.
Dabei sollte jetzt in Mali alles richtig laufen. Die Präsidentschaftswahl gilt als richtungsweisend. Sie ist die erste nach dem Staatsstreich vom 22. März 2012 und der monatelangen Besetzung des Nordens durch Islamisten und die Befreiungsbewegung von Azawad - die MNLA. Deshalb gilt sie als wichtiger Schritt in Richtung Demokratie.
Transparenz ist wichtig
Die Transparenz der Wahl sei deshalb extrem wichtig, sagt Christopher Fomunyoh, Afrika-Direktor des Nationalen Demokratie Instituts (NDI). Je transparenter, glaubwürdiger und fairer die Wahl sei, desto eher würde auch das Ergebnis akzeptiert. "Aber wenn das Gefühl aufkommt, jemand hat sich nicht an die Regeln gehalten und wird sofort zum Sieger erklärt, dann werden die Malier aufstehen und ihrem Ärger Luft machen", so Fomunyoh.
Bei Oppositions-Anhängerin Inna Maïga ist das schon der Fall. "Überhaupt nicht einverstanden" ist sie. Und wenn es sein muss, würde sie auch gegen das Ergebnis demonstrieren. Ihr erklärtes Ziel war es schließlich, Soumaïla Cissé in der Stichwahl zu sehen. Mit dieser hatten ohnehin viele Menschen gerechnet. Denn am Sonntag sind gleich 27 Kandidaten angetreten. Viele hatten bereits politische Ämter und haben deshalb einen hohen Bekanntheitsgrad in Mali. Zweite Runde, so lautete auch die Ambition von Soumaïla Cissé selbst: "Heute ist eine Stichwahl notwendig und unausweichlich", verkündete er kurz vor Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse.
Gewinner der Wahlen: Mali
Doch ob es dafür noch eine Chance gibt, könnte der Mittwoch (31.07.2013) zeigen. Dann sollen überprüfte Ergebnisse verkündet werden. Trotzdem gibt es schon jetzt einen Gewinner: Mali. Denn die Wahlen sind trotz alledem bisher besser als erwartet abgelaufen. Anschläge - diese waren mehrfach von Rebellen angedroht worden - sind ausgeblieben, und organisatorische Pannen haben sich in Grenzen gehalten.
Stattdessen lag die Wahlbeteilung landesweit bei mehr als 53 Prozent. Für Mali ist das ein Traumergebnis. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2007 hatten lediglich 36 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Über die positive Entwicklung freut sich auch Richard Zink, Leiter der Delegation der Europäischen Union in Bamako: "Die Teilnahme alleine war schon ein großer Erfolg. Was die Malier uns sagen möchten, ist, glaube ich, eindeutig. Sie möchten sagen: Wir nehmen unser Schicksal in die eigenen Hände. Und wir möchten einen Neubeginn."