Wie geht es weiter, Silvio?
2. August 2013Vor dem Justizpalast in Mailand haben sich nach dem Schuldspruch des Kassationsgerichtes eine Handvoll Berlusconi-Anhänger versammelt. Sie gehen spontan für ihr Idol auf die Straße. "Politische Prozesse" nennt ein erzürnter Mann um die 50 die Gerichtsverfahren gegen Silvio Berlusconi. Eine Frau gleichen Alters nickt energisch.
Passanten betrachten neugierig, teilweise amüsiert, die Plakate, auf denen Berlusconi als politisch Verfolgter dargestellt wird. Annarita Galbiati, die auf dem Weg nach Hause an ihnen vorbeikommt, hat keine Sympathien für Silvio Berlusconi und doch ein mulmiges Gefühl im Bauch: "Ich habe ihn nicht gewählt und wenig für ihn übrig. Aber die Staatsanwälte haben sich so auf ihn eingeschossen, das ist doch übertrieben."
Berlusconis Gegner feiern
Auf der anderen Seite freuen sich alle, die Silvio Berlusconi seit Jahren für nicht wählbar halten. Sie sähen seine politische Karriere lieber heute als morgen beendet. Doch ihnen bleibt ein Wermutstropfen: Das Kassationsgericht hat zwar den Schuldspruch und die Gefängnisstrafe aus der vorhergehenden Instanz bestätigt. Das Verbot öffentliche Ämter auszuüben wurde jedoch zur Prüfung an ein Berufungsgericht verwiesen.
Hausarrest statt Gefängnis
Das bedeutet: Silvio Berlusconi hat politisch (noch) nichts zu befürchten. Nur das Ämterverbot hätte einen Ausschluss aus dem italienischen Senat zur Folge gehabt. Die Haftstrafe wird der Medienzar und Kopf der Partei "Volk der Freiheit" aufgrund seines Alters nicht im Gefängnis absitzen müssen. Silvio Berlusconi ist 76 Jahre alt.
Der Oppositionspolitiker Nando dalla Chiesa stellt sich Berlusconis Haftstrafe so vor: "Er wird unter Hausarrest gesetzt. Den verbringt er dann in einer wunderschönen Villa mit Swimmingpool und blühendem Garten. Das kommt für uns einem Urlaub gleich. Von dort wird er dann Reden an die Nation halten. Diese übertragen dann seine Fernsehsender und werden ihn als politischen Häftling darstellen."
Eine Rede an die Nation hat Silvio Berlusconi nach der Urteilsverkündung bereits gehalten. Darin streitet er ab, "jemals ein Steuerbetrugssystem auf die Beine gestellt zu haben" und erklärt, er habe im Gegenteil "zum Reichtum Italiens beigetragen". Ein Teil der Richterschaft sei "verantwortungslos" und habe sich darauf versteift, ihn juristisch zu verfolgen. Er werde aber den "Kampf für die Freiheit" fortsetzen und sich "nicht unterkriegen" lassen.
Politische Konsequenzen
Die Frage ist nun, mit welchen politischen Konsequenzen Italien zu rechnen hat. Das Land befindet sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage und hatte Wochen gebraucht, um nach den Parlamentswahlen im Februar 2013 eine stabile Regierung zu bilden. An dieser ist auch Berlusconis Partei "Volk der Freiheit" beteiligt. Berlusconis Intimus Angelino Alfano ist Innenminister und Vizepremier. Die "Ultras" in Berlusconis Partei hatten einen Austritt aus der Regierung angedroht, sollte der Schuldspruch gegen ihren Chef bestätigt werden. Nun dämpfen sie aber ihren Ton. "Unser Protest wird heftig ausfallen, sich aber im institutionellen Rahmen bewegen", erklärt Berlusconis Parteifreund Roberto Formigoni.
Der Mailänder Politikwissenschaftler Paolo Natale hält einen Rückzug aus der Koalition und damit einen Sturz der Regierung unter Führung des Linksdemokraten Enrico Letta für ein Eigentor. Das solle Berlusconi vermeiden, wenn er klug ist. "Wenn Berlusconis Partei an der Regierung bleibt, hat sie Zeit, sich zu regenerieren. Wenn aber Berlusconi die Regierung stürzt und es zu Neuwahlen kommt, würde von ihr nur ein Scherbenhaufen übrig bleiben."
Überaschungen à la Berlusconi sind nicht auszuschließen. So hält sich seit Wochen hartnäckig das Gerücht, Berlusconis Tochter Marina, Präsidentin des Familienunternehmens FININVEST, stehe schon in den Startlöchern, um den Parteivorsitz zu übernehmen.