Ein langer Kampf steht bevor
15. September 2014Frankreichs Präsident Hollande rief nach Paris zu einer Konferenz gegen die Terrormilizen des IS. 26 Staaten schickten Vertreter, allerdings kam nur ein Präsident, nämlich der aus dem bedrängten Irak. Der Rest waren Außenminister. Vor einigen Wochen hatte Hollande noch ein großes Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs angekündigt. Daraus wurde nichts. Das mag daran liegen, dass es die Koalition gegen die skrupellose Terror-Organisation ja eigentlich schon gibt. In Paris wurde sie jetzt nur noch einmal bekräftigt. Die USA haben längst organisiert, was der französische Präsident jetzt nachgespielt hat. Beim NATO-Gipfel in Wales vor zehn Tagen hatte US-Präsident Obama die Willigen aus dem westlichen Lager bereits eingeschworen. Präsident Hollande war dabei, aber der innenpolitisch schwer angeschlagene Politiker wollte eben noch einmal selber glänzen.
In den vergangenenTagen hat US-Außenminister Kerry bei einer Rundreise durch die Region zehn arabische Staaten mit in die relativ lose Koalition geholt. Natürlich kann es nicht schaden, wenn die Staaten sich in Paris erneut treffen, aber wirklich neue substanzielle Zusagen wurden in der Anti-IS-Konferenz nicht gemacht. Großbritannien und Frankreich deuten nur an, dass sie sich an Luftangriffen der USA auf IS-Stellungen beteiligen könnten. Die arabischen Staaten sagen erneut zu, was längst hätte geschehen müssen: Sie wollen der Terrormiliz endlich den Geldhahn zudrehen. Denn die blutrünstigen Islamisten wurden zu einem guten Teil durch Spenden und Zuwendungen aus Saudi-Arabien, Katar, Kuwait und den arabischen Emiraten finanziert. Deutschland und andere Staaten wollen kurdischen Gegnern des IS Waffen liefern und für Ausbildung an dem Gerät sorgen. Sie sollten auch Ölgeschäfte unterbinden, die der "Islamische Staat" weiterhin tätigen kann.
Luftschläge und bessere Bewaffnung der Kurden werden nicht ausreichen, um die IS-Truppen zu "vernichten", wie Großbritanniens Premier Cameron das fordert. Die Zahl der Terroristen wird von der CIA auf 30.000 geschätzt, die nicht nur in der Wüste operieren, sondern sich auch in Städten und Wohngebieten festgesetzt haben. Diese Milizen wird man nicht aus der Luft besiegen können, es sei denn, man würde unzählige Opfer unter der Zivilbevölkerung in Kauf nehmen. Am Ende würde man Bodentruppen brauchen, wenn man die IS-Terroristen tatsächlich entwaffnen wollte. Doch will man das überhaupt? Die Ziele, die in Paris formuliert wurden, sind bescheidener und weniger konkret. Die Terroristen sollten "vertrieben" werden, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Vertrieben wohin? Nach Syrien, in die Türkei, in den Libanon? Mit Luftschlägen kann die neue Koalition die weitere Ausbreitung der brutalen Schlächterbanden vielleicht eindämmen, mehr nicht.
Die Konferenzteilnehmer wollen sich bei ihrem Vorgehen an internationales Recht halten, anders als beim Irak-Krieg 2003, als die USA und ihre Verbündeten ohne UN-Mandat losmarschierten. Für ein UN-Mandat braucht man allerdings die Zustimmung Chinas und Russlands. Dass sich Moskau angesichts der Ukraine-Krise von einer Mitwirkung überzeugen lässt, ist leider kaum anzunehmen. Da die Zeit ein entscheidender Faktor ist, werden die USA nicht lange auf Russland oder die UN warten können und Rückzugsgebiete der IS-Terrormilizen in Syrien auch ohne Mandat bombardieren müssen. Die Bekämpfung des Terrors, der leicht vom Irak und Syrien nach Europa und in die USA überschwappen kann, wäre eigentliche eine gemeinschaftliche Aufgabe für die Militärallianz NATO, für die Organisation für Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa (OSZE) oder für die Wertgemeinschaft Europäische Union.
Wenn es wirklich Ernst wird, taugen diese internationalen Vereinigungen offenbar nicht viel. Weder die NATO noch die EU konnte sich zu einer einheitlichen Linie durchringen. Einzeln sind einige Mitglieder nach Paris gereist. Geheimdienste schätzen, dass in Europa bereits 2000 ausgebildete Schläfer der IS-Terrororganisation auf ihren Einsatz warten. Die Gefahr ist also sehr real, vor allem in den großen NATO- und EU-Staaten Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Ein Franzose, ausgebildet vom IS, hat bereits vier Menschen in Belgien getötet. Es wäre also höchste Zeit, in Europa zusammen zu arbeiten, sich nicht weiter wegzuducken und wie in der Vergangenheit zu denken, dass die USA es schon richten werden. Es ist jetzt auch keine Zeit mehr, sich hinter dem Argument zu verstecken, die USA seien durch ihren Krieg gegen den Irak im Jahr 2003 Schuld an den chaotischen Zuständen im Land und dem Erstarken neuer Terrormilizen. Das mag sein, aber auch der Rest der Welt hat spätestens seit 2006 weggeschaut, seit klar wurde, dass im Irak eine bombenlegende, mordende islamistische Terrororganisation entstand. Sie hat häufig den Namen gewechselt, bis sie schließlich zu der Bedrohung wurde, die wir heute sehen. Hunderte Zivilisten hat der IS - und seine Vorläufer - in den vergangenen Jahren bereits brutal umgebracht. Das machte in Europa kaum Schlagzeilen. Erst seit der spektakulären Belagerung von tausenden Flüchtlingen im Irak und der bestialischen Enthauptung von mittlerweile drei westlichen Geiseln in den vergangenen Wochen ist die Politik aufgewacht.
Der Druck ist so groß geworden, dass US-Präsident Obama entgegen seiner Absicht militärisch aktiv werden muss. Der Druck ist so groß geworden, dass die Bundesregierung erstmals Waffen in ein Krisengebiet liefert. Der Druck führt zu Konferenzen wie der in Paris. Der Druck muss dazu führen, dass die Koalition der Willigen uns von der Bedrohung durch den Terror befreit. Die bis jetzt angekündigten Mittel werden dazu nicht ausreichen.