Sie stammen aus komplett unterschiedlichen Welten: aus dem Süden der etwas unscheinbare Menschenrechtsanwalt Moon, aus dem Norden Machthaber Kim, das unheimliche Enfant terrible der internationalen Politik. Moon der pragmatische Brückenbauer, Kim der provokante Raketenmann. Ein südkoreanischer Präsident, der aus dem Norden flüchten und zeitlebens für die Demokratie kämpfen musste, trifft einen gottgleich verehrten Tyrannen aus der dritten Generation, der in erster Linie das Überleben seiner Dynastie im Sinn hat.
Trotz aller Unterschiedlichkeit war das Eis zwischen den beiden Koreanern schnell gebrochen. Demonstrativ herzlich grüßten sich die beiden im Niemandsland, und zum ersten Mal betrat ein nordkoreanischer Machthaber südkoreanischen Boden. Hand in Hand überschritten sie dann spontan noch einmal die Demarkationslinie, die künftig nicht mehr das Symbol der Trennung, sondern des Friedens sein soll, so Moon. Und auch der unnahbare Machthaber aus Pjöngjang gab sich bewusst locker, grinste breit in die Kameras aus aller Welt, tätschelte die Blumenkinder und scherze mit seiner stets an seiner Seite strahlenden Schwester über den vorbereiteten Speiseplan mit Köstlichkeiten aus beiden Koreas.
Ende der Sprachlosigkeit
Diese Begegnung markiert tatsächlich einen historischen Moment. Selbst bei den rund 3000 Journalisten aus aller Welt brandete spontaner Applaus auf, als sich die beiden Staatsmänner überraschend freundlich begegnen. Groß, vielleicht zu groß sind die Erwartungen an den Gipfel, der doch zunächst einmal die Sprachlosigkeit der letzten Jahre beenden soll.
Einmütig verständigten sich beide Seiten darauf, auf wechselseitige Provokationen zu verzichten, man wolle sich künftig regelmäßig hüben wie drüben treffen. Militärische Spannungen sollen abgebaut und direkte Telefonverbindungen zwischen den beiden Regierungschefs eingerichtet werden. Ein Friedensvertrag soll das nach wie vor geltende Waffenstillstandsabkommen ablösen, die durch die Teilung getrennte Familien sollen sich wieder treffen dürfen, wirtschaftlich wollen beider enger zusammenarbeiten und dazu wird in der Sonderwirtschaftszone Kaesong wieder ein Verbindungsbüro eröffnet. Einigkeit gab es auch beim wichtigsten Thema: Gemeinsam wollen sie sich beide für eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel einsetzen, was auch den Abzug der taktischen US-Atomwaffen aus der Region bedeuten würde. Erklärtes Ziel beider bleibe die Wiedervereinigung des geteilten Bruderstaates. "Wir sprechen die gleiche Sprache, haben das gleiche Blut, wir teilen die gleiche Geschichte, wir sind das gleiche Volk. Wir sollten uns nicht bekriegen, sondern sollten die Wiedervereinigung anstreben", so Kim.
Natürlich ist trotz aller Freundlichkeiten weiterhin Skepsis geboten, denn schon die ersten beiden innerkoreanischen Gipfel 2000 und 2007 weckten große Hoffnung. Auch damals vereinbarten die verfeindeten Bruderstaaten vertrauensbildende Maßnahmen, doch die anfängliche Euphorie verflog schnell und als der Norden seine Nuklearambitionen vorantrieb, riss der Gesprächsfaden vollends ab.
Erfolgreicher als ihre Vorgänger
Umso erstaunlicher ist, dass dieses Gipfeltreffen nicht nur zustande kam, sondern dass es auch in solch einer herzlichen Atmosphäre ablief. Gerade einmal ein Jahr im Amt, hat der sozialliberale Moon mit seiner dialogbereiten Entspannungspolitik weit mehr erreicht als seine beiden konservativen Vorgänger. Auch Kim hat mit seiner riskanten Atom-und Raketenprogramm weit mehr erzielt als sein Vater und Großvater: die Anerkennung Nordkoreas als ernstzunehmende Bedrohung. Endlich kann Kim auf Augenhöhe mit dem Erzfeind USA verhandeln. In gut einem Monat soll es das Treffen zwischen Machthaber Kim und US-Präsident Trump geben. Auch das war von wenigen Wochen noch vollkommen undenkbar.
Durch den innerkoreanischen Gipfel ist der Gesprächsfaden wieder aufgenommen und die Eskalationsspirale der vergangenen Monate ist endlich gestoppt. Präsident Trump wäre gut beraten, diesen Gesprächsfaden weiterzuspinnen, direkte Gespräche sind sicherlich hilfreicher als wüste Twitter-Posts. Schrittweise können alle Seiten versuchen, verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen und eine Friedenslösung zu finden. Wenn das gelänge, dann wäre auch Trump erfolgreicher als alle seine Vorgänger.
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