Kongos erste Regierungschefin vor großen Aufgaben
3. April 2024Mehr als drei Monate nach der Präsidentschaftswahl hat die Demokratische Republik Kongo eine neue Premierministerin: Der für eine zweite und letzte Amtszeit wiedergewählte Präsident Félix Tshisekedi hat Judith Suminwa Tuluka am Ostermontag offiziell ernannt. Seit das Land im Jahr 1960 unabhängig wurde, ist sie die erste Frau, die eine Regierung leitet. Tuluka war bereits ein Jahr lang Planungsministerin unter ihrem Vorgänger Jean-Michel Sama Lukonde. Das Planungsministerium ist für die wirtschaftliche und soziale Entwicklungspolitik des Landes zuständig. Lukonde, der die Regierung seit Februar 2021 leitete, hatte im Februar seinen Rücktritt eingereicht.
Tuluka, 56, stammt aus Zentralkongo, der Provinz von Joseph Kasavubu, der von 1960 bis 1965 der erste Präsident des Landes war. Sie besitzt einen Master-Abschluss in angewandten Wirtschaftswissenschaften der Freien Universität Brüssel und ein Diplom für Zusatzstudien im Bereich Personalmanagement in Entwicklungsländern.
Enge Vertraute von Präsident Tshisekedi
Die neue kongolesische Regierungschefin arbeitete im Bankensektor, bevor sie zum Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) wechselte. Dort war sie Koordinatorin der Säule "Friedenskonsolidierung und Stärkung der Demokratie".
Tuluka ist Mitglied der "Union pour la Démocratie et le Progrès Social" (UDPS), der sozialliberalen Partei von Félix Tshisekedi. Die enge Vertraute des Präsidenten war Expertin in einem nationalen Projekt zur Unterstützung der Gemeinschaft im Osten der Republik. Anschließend arbeitete sie im Finanzministerium und später als stellvertretende Koordinatorin des "Conseil présidentiel de veille stratégique" (CPVS), eines Gremiums, das den Präsidenten in strategischen Fragen berät.
Kongos Regierungschefin: ermutigendes Beispiel für viele Frauen
Vor allem bei den Frauen in der DR Kongo hat die Ernennung Tulukas zur neuen Premierministerin viele zufriedene Reaktionen hervorgerufen, wie die DW in der Hauptstadt Kinshasa erfuhr.
"Ich hoffe sehr, dass es auf jeden Fall neue Dinge geben wird, gute Dinge", sagt etwa die Studentin Sefora Wameh. "Es gibt Männer, die sagen, dass Frauen nicht können, was sie tun. Aber ich glaube fest daran, dass wir Frauen dieses Mal die Möglichkeit haben, es besser zu machen als die Männer".
Antomiss Mangaya, Staatsbeamtin im Ministerium für Grund- und Sekundarschulbildung, stimmt zu. Auch sie fühlt sich ermutigt und wünscht sich positive Veränderungen durch Tuluka: "Sie ist ein sehr gutes Beispiel für uns Frauen. Das ist sehr zu loben. Da es das erste Mal ist, soll sie es besser machen als die Person, die vor ihr da war. Sie soll viel arbeiten und uns zeigen, dass Frauen das auch können".
Anhaltende Gewalt an der Grenze zu Ruanda im Ostkongo
Tulukas Ernennung erfolgt in einer Zeit, in der die Sicherheitslage im Osten des Landes, der an Ruanda grenzt, nach wie vor äußerst schwierig ist: Rebellen der sogenannten M23 (Bewegung des 23. März), eine von weit über 100 bewaffneten Gruppen im rohstoffreichen Osten des Kongo, kämpfen dort gegen die kongolesische Armee - in den vergangenen Wochen sind sie der Regionalhauptstadt Goma schon sehr nahe gekommen, einige Ortschaften werden noch immer von den Rebellen kontrolliert.
Die diplomatischen Beziehungen der Nachbarländer DR Kongo und Ruanda sind angespannt: Die Regierung in Kinshasa, die Vereinten Nationen und westliche Länder beschuldigen Ruanda seit Jahren, die M23-Rebellen zu unterstützen, um die lukrativen Bodenschätze der Region zu kontrollieren - Kongo verfügt unter anderem über Diamanten, Kupfer und Gold.
Die Regierung in Kigali hat die Vorwürfe wiederholt bestritten, doch UN-Experten haben Beweise für ruandische Eingriffe im Kongo gefunden. Das US-Außenministerium hat Ruanda aufgefordert, seine Truppen und Boden-Luft-Raketensysteme aus dem Osten Kongos abzuziehen. Das ruandische Außenministerium hat erklärt, die Truppen würden ruandisches Territorium verteidigen, da der Kongo eine "dramatische militärische Aufrüstung" in Grenznähe durchführe. Von einer Bedrohung der nationalen Sicherheit war die Rede.
Schwere humanitäre Krise im Osten des Kongo
Nach Angaben der Vereinten Nationen hat der schon lange andauernde Konflikt bereits mehr als sieben Millionen Menschen vertrieben. Das macht ihn zu einer der schlimmsten humanitären Krisen der Welt - und zur größten Herausforderung, der sich die neue Premierministerin stellen muss. Dafür wird sie nun ein Kabinett zusammenstellen, in dem sie die Kräfte der "Union sacrée de la nation" (USN) zu bündeln versucht, der seit Dezember 2020 bestehenden Mehrparteien-Koalition im Parlament der DR Kongo.
Bis die neue Regierung gebildet ist und die Ministerposten verteilt sind, könnten allerdings Monate vergehen - der Prozess erfordert nämlich intensive Verhandlungen mit den verschiedenen politischen Parteien.
Die Erwartungen an Judith Suminwa Tuluka sind hoch. Laurette Mandala Kisolokele, Beraterin im Ministerium für regionale Integration, zeigt sich dennoch optimistisch. Denn die Themen und Probleme seien für die Spitzenpolitikerin ja nicht neu: "Sie kennt die Sicherheitslage im Osten des Landes. Was wir jetzt von ihr wollen, ist, dass sie kluge Entscheidungen bei ihren Mitarbeitern trifft, damit sie sie effektiv begleiten und wir die unsichere Situation im Osten des Landes beenden können."
"Meine Gedanken gehen in den Osten"
In ihrer ersten Rede im staatlichen Fernsehen nach ihrer Ernennung versprach die neue Ministerpräsidentin, sich für Frieden und Entwicklung einzusetzen: "Meine Gedanken gehen in den Osten und in alle Ecken des Landes, die heute mit Konflikten mit - manchmal versteckten - Feinden konfrontiert sind", sagte Judith Suminwa Tuluka. "Ich denke an all diese Menschen, und mein Herz schlägt für sie."