Krisenfeuerwehr in der Krise
18. Februar 2013Die Finanzminister der zwanzig wichtigsten Industrienationen der Welt wollten am vergangenen Wochenende in Moskau gleich mehrere Brände löschen beziehungsweise den Brandschutz für die Weltfinanzordnung verbessern. Sie wollten sich unter anderem darauf verständigen, wie sie Schattenbanken kontrollieren und einen Währungskrieg verhindern könnten.
In ihrer Abschlusserklärung haben die G20-Finanzminister Bestrebungen mancher Staaten, ihre Währung abzuwerten, energisch verurteilt. Klarer zwar, als das anfangs erwartet worden war, aber auf konkrete Maßnahmen haben sie sich dabei nicht verständigt. Das ist teilweise nicht gut angekommen. Stefan Scharfetter von der Baader Bank etwa beklagte unserem Börsenstudio in Frankfurt gegenüber: "Das könnte man so als Schummelpaket bezeichnen, was da beschlossen worden ist."
Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, schlägt in dieselbe Kerbe. Absichtserklärungen seien schön und gut, aber sie brächten "natürlich nichts, wenn Japan und andere Länder, genau das Gegenteil wollen: Nämlich eine Politik der schwachen Währung zu betreiben, um sich kurzfristig Vorteile auf Kosten anderer zu verschaffen."
Besonders die Maßnahmen der Notenbank in Tokio hatten in den letzten Wochen Befürchtungen genährt, es könne zu einem Währungskrieg kommen. Stefan Scharfetter wertet die japanische Geldpolitik sogar als "als kriegerischen Angriff auf die anderen Währungen."
Die Einen so, die Anderen so
Jürgen Matthes, Experte für Internationale Wirtschaftsordnung beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, plädiert allerdings dafür, das Problem differenzierter zu sehen. Einige Notenbanken würden tatsächlich eine aktive Wechselkurspolitik betreiben, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Ein Beispiel dafür sei die Schweiz, die die eigene Währung stützt, um sie in einem stabilen Verhältnis zum Euro zu halten.
Japan besteht aber darauf, seine Währungspolitik aus anderen Motiven zu betreiben: Tokios Notenbank drucke neues Geld nur, um deflationären Tendenzen in Japan selbst zu begegnen. Dass sie den Markt mit neuem Geld flute, diene nicht primär dazu, den Yen abzuwerten, sondern sei eine binnenpolitische Maßnahme, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.
Sparen? Ja schon, aber…
Ein anderes Thema, bei dem die G20-Feuerwehr nicht lieferte, war die Sparpolitik, genauer: die Umsetzung der Sparziele von Toronto. 2010 war beim G20-Gipfgel in der kanadischen Metropole beschlossen worden, dass die großen Wirtschaftsmächte mit Ausnahme Japans ihren Schuldenstand bis 2013 halbieren wollten. Inzwischen ist 2013 und die allermeisten Unterzeichner des Toronto-Kommuniques sind von diesem Zielen noch weit entfernt.
Jürgen Matthes vom Kölner IW macht für die fehlenden Fortschritte ideologische Gründe verantwortlich: "In Deutschland sind wir der Meinung, dass die Wirtschaft schneller gesundet, wenn sie konsequenter konsolidiert. Und den negativen Wirkungen, wenn Steuern erhöht und Ausgaben gekürzt werden, wird nicht so großes Gewicht beigemessen." In anderen Ländern, besonders in den USA, sähe man das aber anders und ginge den umgekehrte Weg: Statt zu sparen gibt man dort Geld aus, um die Nachfrage zu steigern und die Krise durch weiteres Wachstum im den Griff bekommen.
Schattenbankenkontrolle verschoben
Zu den Brandmauern im Kampf gegen internationale Finanzkrisen gehört die Kontrolle der Geldmärkte und dazu wollten die G20-Finanzminister die Schattenbanken unter die Lupe nehmen. Natürlich, sagt Jürgen Matthes dazu, denn "wenn wir die Banken stärker regulieren, was absolut unverzichtbar ist, dann müssen wir natürlich verhindern, dass Geschäft abwandert und die künftige Krise im Schattenbankensektor entsteht."
Aber auch dabei gab es in Moskau kein Ergebnis. Das Thema "Schattenbanken" ist verschoben worden - und zwar auf den G20-Gipfel, der im September in St. Petersburg stattfinden wird. Matthes ist allerdings skeptisch: "Ich bin mir nicht sicher, ob in St. Petersburg schon wichtige Entscheidungen getroffen werden. Beim nächsten oder spätestens übernächsten G20-Gipfel werden wir handfeste Ergebnisse sehen."
Weltfinanzfeuerwehr ein Tiger ohne Zähne
Ein weiterer Punkt auf der Tagesordnung der Weltfinanzfeuerwehr waren Steuerschlupflöcher. Manche international tätigen Konzerne wie Google, Amazon oder Starbucks schieben ihre Gewinne solange weltweit hin und her, dass sie am Ende nur noch wenig Steuern bezahlen müssen - manch ein Konzern kommt so auf eine extrem niedrige Steuerquote. Einer Initiative Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens ist es zu verdanken, dass das Thema in einer Expertenkommission gelandet ist, die geeignete Maßnahmen erarbeiten soll. Jürgen Matthes vom Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft sieht darin ein Zeichen der Hoffnung: "Dass Großbritannien dabei sein möchte, ist schon mal ein gutes Zeichen."
Sparziele, Schattenbanken, Steuerschlupflöcher: In Moskau wurde viel besprochen, aber nichts beschlossen. Von einem "Schummelpaket" wie Stefan Scharfetter will Jürgen Matthes nicht sprechen. Aber er sieht das grundlegende Problem der G20: Sie kann nur Empfehlungen aussprechen und psychologischen Druck aufbauen, aber anordnen und gegebenenfalls strafen kann sie nicht. Am Beispiel der Währungspolitik könne man das gut sehen: "Um weltweite Abwertungswettläufe zu verhindern, müsste man eigentlich ein Disziplinierungsinstrument haben. Und wer sich dagegen wehrt, der wird bestraft."