Kuba: Journalisten unter Druck
22. Januar 2022Seit Jahrzehnten gehört die spanische Nachrichtenagentur EFE zu den wichtigsten Quellen für Regime-unabhängige Informationen aus Kuba. Doch damit könnte bald Schluss sein: "Sie sind dabei, uns aus Kuba rauszuwerfen", sagte EFE-Präsidentin Gabriela Cañas dem staatlichen US-Sender "Voice of America" Anfang dieser Woche. Freiwillig werde EFE sich nicht von der Insel zurückziehen, aber das Regime mache eine seriöse Berichterstattung derzeit nahezu unmöglich. Es sei nur noch eine Frage von Wochen, bis die Nachrichtenagentur gezwungen sein könnte, ihre Arbeit auf der Karibikinsel ganz einzustellen.
Mittlerweile haben nur noch zwei EFE-Korrespondenten auf der Karibikinsel eine gültige Arbeitserlaubnis. Fünf anderen Journalisten der Agentur hat Havanna Mitte November die Akkreditierung entzogen. Einen Grund gaben die Behörden laut EFE nicht an. Auch der DW erteilte die zuständige Regierungsstelle keine Auskunft zu dem Fall. Nun, sagt Cañas, bestehe die Möglichkeit, dass die Agentur ihre Arbeit auf der Insel nach fast 50 Jahren beenden müsse.
Kuba "zieht Daumenschrauben an"
"Einfach war es für Journalisten noch nie, in Kuba zu arbeiten", sagt Juliane Matthey, Lateinamerika-Pressereferentin von Reporter ohne Grenzen. Seit Jahren werden kritische Journalisten in Kuba von staatlicher Seite bedroht, attackiert oder eingesperrt.
In ihrer jährlichen "Rangliste der Pressefreiheit 2021" stuft die Nichtregierungsorganisation das kommunistisch regierte Land auf Platz 171 von 180 ein, dahinter stehen nur Kriegsgebiete und andere autoritäre bis totalitäre Staaten. Dabei wurden die jüngsten Ereignisse noch gar nicht berücksichtigt: "Nach den Protesten vergangenen Juli hat das Regime die Daumenschrauben noch einmal angezogen", sagt Matthey.
Am 11. Juli hatten sich von der Hauptstadt Havanna aus Massenproteste über die ganze Insel ausgebreitet. Es waren die größten Demonstrationen in Kuba seit dem Sieg der Revolutionäre 1959. Das kommunistische Regime reagierte, wie man es in einer Diktatur erwartet: Es ließ die Proteste blutig niederschlagen. Mindestens ein Mensch kam dabei ums Leben.
Rund 5000 Menschen wurden laut internationalen Medienberichten festgenommen, darunter prominente Oppositionelle wie der Sacharow-Preisträger Coco Fariñas und die Youtuberin Dina Stars, die dieses Video von sich auf einer Demonstration auf ihrem Kanal gepostet hat.
Die meisten Festgenommenen kamen nach wenigen Tagen wieder frei, Dina Stars nach einem Monat, Coco Fariñas im Dezember. Andere Regime-Kritiker sitzen weiterhin im Gefängnis, darunter mehrere kubanische Journalisten.
Staatssender und Internetzensur
Laut Verfassung sind private Medien in Kuba verboten. Ein kleines Netzwerk unabhängiger Nachrichtenportale im Internet gibt es dennoch. Aber sie sind Repressalien ausgesetzt. Anfang Dezember, berichtete das Netzwerk, sei die Journalistin Mabel Páez von Vermummten in ihrer Wohnung zusammengeschlagen worden, nachdem ihre Zeitung vom Tod eines Zwangsrekrutierten im kubanischen Militär berichtet hatte. In einem Youtube-Video berichtet Mabel, im Krankenhaus habe die Polizei den Arztbericht konfisziert und ihr nahegelegt, es dabei zu belassen.
Im Fernsehen gibt es außer Regierungskanälen nur den venezolanischen Sender TeleSUR zu sehen, der nach einer Idee von Fidel Castro vom venezolanischen Linkspopulisten Hugo Chávez gegründet wurde und weitgehend von der sozialistischen Regierung Venezuelas gesteuert wird.
Regierungsunabhängige Informationen sind in Kuba nur über private Quellen oder im Internet erhältlich. Deshalb sei die Einschränkung der Arbeit ausländischer Medien wie EFE nicht nur ein Verlust für die internationale Berichterstattung aus Kuba, sondern auch für die Kubaner selbst, sagt der kubanische Dissident Yúnior García Aguilera, der zu den Hauptorganisatoren der Juli-Proteste gehört: "Bisher nutzen die meisten Menschen in Kuba das Internet allerdings fast nur für soziale Medien - vor allem um ihren Familien im In- und Ausland Nachrichten und Fotos zu schicken."
Die Angst des Regimes vor dem Internet
Dies liege allerdings auch daran, dass die Internetnutzung stark eingeschränkt ist, sagt García, der aus dem Exil in Spanien mit der DW sprach. Die sozialen Medien würden überwacht; wer regimekritische Inhalte postet, müsse mit Strafen rechnen. Zudem gebe es hohe Hürden, um internationale Nachrichten zu verfolgen: "Ein guter Internetzugang würde viele Kubaner die Hälfte ihres Lohns kosten. Viele Websites sind gesperrt und nur über einen VPN-Zugang zu erreichen." Und den einzurichten, erfordert gewisse Kenntnisse.
Wahrscheinlich ebbten die Proteste im Juli auch deshalb bereits nach fünf Tagen ab, weil das Regime das Internet sperrte, um die Koordination zu unterbinden. Dennoch sei das Internet ein wichtiger Kommunikationsweg für die Opposition, sagt García.
Dass das Regime seither verstärkt die Berichterstattung unterbindet, ist für den Lateinamerika-Experten Günther Maihold nicht überraschend: "Die Proteste und vor allem ihr Ausmaß hat die Regierung offenbar verunsichert", sagt der stellvertretende Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. "Auf der Suche nach Schuldigen gehört die Presse zu den ersten Adressen."
Niemand ist sicher
Das Arbeitsverbot für die EFE-Journalisten kam wenige Tage vor einer von der Opposition für den 15. November geplanten Kundgebung. "Man will Berichte über Orte und Teilnehmerzahlen verhindern", vermutet Maihold. Ob andere ausländische Medien in jüngster Zeit ähnliche Einschränkungen erfahren haben, ist bisher nicht bekannt geworden. Mehrere Nachrichtenagenturen haben auf eine entsprechende DW-Anfrage nicht reagiert oder ein Statement abgelehnt. Auch international tätige Hilfsorganisationen wollten sich zum Thema Informationsfreiheit in Kuba nicht äußern. Wenn sie Gründe angaben, dann waren das Bedenken, dass ihnen oder ihren Mitarbeiter dadurch Nachteile entstehen könnten.
Obwohl die kubanische Verfassung friedliche Demonstrationen erlaubt, verhinderte das Regime letztlich die Kundgebungen am 15. November, indem es Organisatoren wie Yunior García unter Hausarrest stellte und die Straßen von Polizisten besetzen ließ. Einen Tag später ließ sie García unbehelligt nach Spanien ausreisen. Nun will er von dort aus seine politische Arbeit fortsetzen.