Krisendiplomatie in Peking
29. Oktober 2015Kanzlerin Angela Merkel ist in Peking offiziell zu ihrem achten Besuch in der Volksrepublik China empfangen worden. Nach einer Begrüßung mit militärischen Ehren durch Ministerpräsident Li Keqiang zogen sich beide Politiker zu Beratungen zurück. Anschließend sollte die Öffentlichkeit informiert werden. Später ist auch ein Treffen mit Staatspräsident Xi Jinping vorgesehen.
Die Kanzlerin wird von einer fast 20-köpfigen Wirtschaftsdelegation begleitet. Während Merkels Reise sollen mehrere Abkommen unterzeichnet werden, darunter eines, das den Börsenplatz Frankfurt betrifft. Details wurden vorab nicht genannt. Auch die VW-Abgasaffäre dürfte angesprochen werden - der neue VW-Chef Matthias Müller begleitet Merkel bei der Reise.
Bei den Gesprächen mit der Staatsführung soll es angesichts der Umbruchphase in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt auch um die Vertiefung der traditionell guten deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen gehen. Peking erwartet Unterstützung bei Strukturwandel und Modernisierung. Das langsamere Wachstum Chinas bereitet vor allem den deutschen Auto- und Maschinenherstellern Sorgen.
Hoffen auf Pekings Einfluss
Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen wollte die Kanzlerin die chinesische Staatsspitze davon überzeugen, sich künftig stärker bei der Lösung internationaler Konflikte zu engagieren. Bei den Verhandlungen über einen Atomkompromiss mit dem Iran sei sehr gut mit Peking zusammengearbeitet worden. Darauf aufbauend wolle Merkel mit der chinesischen Staatsspitze unter anderem über Lösungsansätze bei den Krisen in Syrien, Afghanistan, der Ukraine und Nordkorea reden. Berlin hofft darauf, dass Peking positiven Einfluss auf seinen wichtigen Wirtschaftspartner Russland nehmen kann.
Die meisten der nach Deutschland strömenden Flüchtlinge kommen aus Syrien - eine Verbesserung der Lage in ihrem Herkunftsland gilt als ein Schlüssel in den Bemühungen um eine bessere Steuerung des Andrangs auf die Bundesrepublik.
Vor dem Abflug appellierten Menschenrechtler und Anwälte an die Kanzlerin, in Peking die Verfolgung und Inhaftierungen in China anzusprechen. Nach zahlreichen Festnahmen von Bürgerrechtsanwälten forderten die Bundesanwaltskammer und der Anwaltverein die Kanzlerin auf, sich in Peking für die Freilassung der chinesischen Kollegen einzusetzen.
Amnesty International, die International Campaign for Tibet und der Weltkongress der Uiguren verlangten von Merkel, in Peking klar für Menschenrechte einzutreten. "Unter Führung des aktuellen Präsidenten Xi Jinping müssen wir deutliche Rückschritte bei den rechtlichen Reformen feststellen und damit auch beim Schutz der Menschenrechte", heißt es in einem Brief. Laut Amnesty International sind noch 28 Anwälte, Mitarbeiter und Aktivisten in Haft, unter Hausarrest oder verschwunden. Auch Internetnutzer müssen fürchten, "Opfer staatlicher Gewalt zu werden".
Am Nachmittag tritt Merkel vor dem Bergedorfer Gesprächskreis der Körber-Stiftung auf, zudem ist ein Gespräch mit dem Vorsitzendem des Nationalen Volkskongresses, Zhang Dejiang, geplant. Am Abend wird die Kanzlerin dann von Präsident Xi Jinping zu einem Gespräch und Abendessen empfangen.
Am Freitag fliegt die Kanzlerin in Begleitung von Regierungschef Li in dessen Heimatprovinz Anhui - dies gilt als besondere Ehre. In der Nähe der Millionenstadt Hefei will Merkel eine Bauernfamilie und eine Dorfschule besuchen.
stu/we (afp, dpa)