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Sprengt Syriza die Eurozone?

Rolf Wenkel26. Januar 2015

Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird - das ist die fast einhellige Meinung der deutschen Ökonomen über den Wahlsieg der linken Syriza in Griechenland. Sprich: Alle rechnen mit Kompromissen.

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Symbolbild Griechenland Athen Schuldenkrise Euro
Bild: picture-alliance/dpa

Europas Märkte haben recht gelassen auf den Wahlsieg der linken Syriza in Griechenland reagiert. Sie hat zwar bei den Parlamentswahlen fast eine absolute Mehrheit errungen und dürfte mit dern rechtspoulistischen Unabhängigen Griechen schon in den nächsten Tagen eine stabile Regierung bilden. Aber trotz markiger Wahlkampftöne dürfte sich Griechenland am Ende mit der Staatengemeinschaft einigen, auch weil ihr bereits jetzt das Geld für die ersten geplanten Maßnahmen fehlt.

Syriza hatte zum Beispiel angekündigt, nach dem Wahlsieg sofort ein Sozialprogramm zu verabschieden. So sollen arme Familien bei den Strom- und Wohnkosten finanziell unterstützt und der Mindestlohn angehoben werden. Darüber hinaus will sie Zwangsversteigerungen verhindern, wenn die Griechen ihre Hypothekenkredite nicht mehr bedienen können. Zudem sollten die Privatisierungen gestoppt werden.

Bald von der Realität eingeholt

Indes: "Die neue Regierung wird schnell in der Realität ankommen", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, im Gespräch mit der DW. Denn all diese Maßnahmen kosteten Geld und die Kasse des Finanzministers sei fast leer. Viele griechische Steuerzahler hätten vor der Wahl ihre Steuerschulden nicht beglichen, sagt Krämer. "Nach inoffiziellen Äußerungen aus dem Finanzministerium dürften die Steuereinnahmen im Januar rund eine Milliarde Euro hinter dem Budgetansatz zurückbleiben." Damit dürfte es für die Regierung schon schwierig werden, die im ersten Quartal anfallenden Zinszahlungen und Tilgungen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro zu begleichen.

Ohne frisches Geld dürfte der Staat spätestens im Sommer zahlungsunfähig sein, wenn größere Schuldenrückzahlungen anstehen, warnen Experten. So sind im Juli rund 3,5 Milliarden und im August rund drei Milliarden Euro fällig. "Es ist klar, dass Griechenland auch weiterhin auf die Unterstützung durch ein Hilfsprogramm angewiesen sein wird. Und das heißt natürlich auch, dass es ein solches Programm nur geben kann, wenn die Verabredungen auch eingehalten werden", sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann am Sonntagabend in der ARD.

Wer pokert zu hoch?

Auf den ersten Blick liegen die Positionen einer von Syriza geführten Regierung und der Staatengemeinschaft der Eurozone weit auseinander. "Deshalb ist es nicht auszuschließen, dass eine der beiden Seiten zu hoch pokert und die Verhandlungen in den kommenden Monaten scheitern", warnt Commerzbank-Volkswirt Krämer, "zumal die Syriza unterschätzen dürfte, dass ein Austritt Griechenland nicht mehr die Währungsunion als Ganzes destabilisieren würde".

Fast alle Experten gehen davon aus, dass sich Griechenland und die Geberländer nach Verhandlungen einigen und einen Austritt Griechenlands aus der Währungsunion, den so genannten Grexit vermeiden werden. Denn der würde vermutlich einen Staatsbankrott mit einem Ansturm auf die Banken und ein wirtschaftliches Chaos nach sich ziehen. Und: es würden auch erhebliche Mittel aus den EU-Strukturfonds verloren gehen, die sich 2014 auf mehr als fünf Milliarden Euro belaufen haben.

Allerdings würden sich auch die Geberländer kompromissbereit zeigen müssen, ist Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer überzeugt, "weil sie ihren Wählern sonst erklären müssten, dass die Hilfskredite für Griechenland anders als stets behauptet verloren wären. Das würde eurokritischen Parteien wie der AfD Auftrieb geben".

Kompromisse gefragt

Insgesamt schuldet Griechenland den Geberländern rund 250 Milliarden Euro. Die bilateralen Kredite einzelner Euroländer summieren sich auf 53 Milliarden Euro, der Internationale Währungsfonds hat 35 Milliarden geliehen und die Europäische Zentralbank besitzt griechische Staatsanleihen im geschätzten Wert von 20 Milliarden Euro. "Ein Kompromiss könnte so aussehen, dass die Schulden auf dem Papier - mit Blick auf die Wähler in den Geberländern - stehen bleiben, die Schuldenlast aber besser verteilt werden könnte", schlägt Krämer vor. So könne man Laufzeiten verlängern, Zinsen senken und größere tilgungsfreie Zeiträume vereinbaren.

Auch Thomas Straubhaar, Ökonom an der Universität Hamburg, glaubt letztendlich an einen Kompromiss zwischen Athen und den Geberländern. Denn wenn die Vergangenheit etwas gezeigt habe, dann sei das die Tatsache, dass ein reiner, rigoroser Sparkurs allein Griechenland nicht aus der Misere helfen könne. "In neuen Verhandlungen muss man beides tun", so Straubhaar zur DW, "einmal sparen, dann aber auch wachsen. Nur mit einer gemeinsamen Geld- und Fiskalpolitik wird man eine langfristige Lösung erreichen können."

Exit rechtlich regeln

Weniger kompromissbereit zeigt sich Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Er fordert "klare Kante", sprich: eine konsequenten Kurs gegenüber reformunwilligen EU-Krisenstaaten. "Die klare Linie muss auch dann eingehalten werden, wenn ein Land in der Folge aus der Europäischen Währungsunion auszutreten droht", erklärt Hüther in einer Pressemitteilung. Allerdings: Um im Fall der Fälle die gravierenden ökonomischen Folgen zumindest ein wenig abzumildern, fordert das IW Köln von der europäischen Politik, den rechtlichen Weg für einen Austritt aus der Währungsunion - natürlich nur als Ultima Ratio - eindeutig zu definieren. "Das Fehlen einer rechtlichen Regelung würde derzeit einen ungeordneten und daher ökonomisch besonders schädlichen Austritt erzwingen", warnt IW-Direktor Hüther.