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Neue Heimat für Bücher

5. Januar 2004

Bücherwände, Lesesaal, Katalog, Ausleihe und Magazin sind Kennzeichen einer Bibliothek. Außen quadratisch, innen praktisch. Soll das etwa eine "Informationszentrale für lebenslanges Lernen" sein? Es geht auch anders.

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Bild: AP

"Die Bibliothekare sollten sich die Ikea-Idee zu Gemüte führen", fordert Wolfram Henning. Es ist unschwer zu erraten, was der Stuttgarter Professor für Bibliotheksmanagement damit meint: Alle Angebote der Bibliothek zentral in einem Haus, zusammenhängend präsentiert zum Anfassen, Ausprobieren und Appetitmachen, mit Kataloginseln auf jeder Etage und einem großen Mitnahmebereich. Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel und ausreichend Parkplätze inklusive.

Aber ausgerechnet in Deutschland, dem sprichwörtlichen "Land der Dichter und Denker", fristen viele Bibliotheken ein Aschenputtel-Dasein: Von zehn Deutschen geht nur einer regelmäßig hin und leiht Bücher aus. 20 Millionen Menschen haben gar keine ausreichend ausstaffierte Stadt- oder Gemeindebibliothek in erreichbarer Nähe, so die Statistik des Deutschen Bibliotheksverbandes. "Politisch fühlt sich keiner zuständig. Unsere Bibliotheken schwirren herrenlos zwischen Bund, Ländern und Kommunen herum", klagt Elke Dämpfert vom Bibliotheksverband. In anderen Ländern – zum Beispiel Finnland, Großbritannien, den USA oder den Niederlanden – wäre das undenkbar.

Wissen ist Netz!

Im "Zeitalter der Wissens- und Informationsgesellschaft" hat die klassische Bibliothek, also das ganz reale 'Bücherhaus', Konkurrenz bekommen: die digitale Bibliothek im Netz. Alle digitalisierten Informationen können überall und jederzeit abgerufen werden. "Aufgabe der 'digitalen Bibliothek' ist Informationsvermittlung, die 'physische Bibliothek' ist auf Lesen, Inspiration und Begegnung, auf Abenteuer und Erholung ausgerichtet", sagt Rob Bruijnzeels von der "Niederländischen Organisation öffentlicher Bibliotheken."

Das stille und eigenbrötlerische Hintereinander-Weg-Lesen von zig Buchseiten ist nicht mehr 'in'. Stattdessen werden Informationen oft häppchenweise konsumiert, Querverweise im Text auf fachverwandte Wissensgebiete sind Standard, die Leute wollen sich austauschen über das Gelesene. Eine zeitgemäße Bibliothek ist darauf eingestellt: Sie gibt Orientierung, kanalisiert die Informationsflut und hilft beim Gewichten und Einordnen der Datenmassen. "Mindestens schon mal ausreichend Bodensteckdosen für Computer und Laptops müssten überall nachgerüstet werden", fordert Management-Theoretiker Henning.

Eine Bibliothek ist Lebensraum!

Die Globalisierung macht auch vor den Bibliotheken nicht halt: Zuwanderung aus dem Ausland und wachsende Bevölkerungsdichte in den Städten stellen neue Anforderungen an die Bibliotheken. Die modernsten Bibliotheken der Welt gibt es in Singapur, hat die Bertelsmann-Stiftung festgestellt: Die Buchzentren dort sind Vorreiter bei neuen Technologien. Aber sie bieten weit mehr als nur Bücher und neue Medien. Maßgeschneiderte Angebote für bestimmte Zielgruppen sind selbstverständlich: eben "Klasse anstatt Masse". Und sie sind sonntags nicht geschlossen – wie in Deutschland üblich. "Bibliotheken haben nur dann eine Zukunft, wenn sie nicht nur Bücherlager sind", ist sich Professor Henning sicher.

Ingun Arnold

Neue Ideen für neue Bibliotheken in Seattle, Stuttgart und der Region Brabant: Lesen Sie, was sich die Architekten so alles haben einfallen lassen!