Pariser für einen Tag
23. Juli 2009Sechs Frauen aus Aachen machen sich auf, ein Stadtviertel zu entdecken, das bislang in jedem Paris-Reiseführer fehlt. Les Batignolles heißt es, liegt nicht weit vom berühmten Montmartre entfernt und ist die Heimat von Véronique Vasquez. Unter der Woche arbeitet die elegante Mittvierzigerin in einem großen Unternehmen an den Champs-Elysées. Am Wochenende zeigt sie Touristen ihr Paris.
Lebens- und Stadtgeschichten
Les Batignolles sei kein so spektakuläres Viertel wie andere, erklärt Vasquez ihrer Touristengruppe. Aber es sei ein typisch französisches Viertel - "vor allem sehr beliebt bei jüngeren Familien und Leuten zwischen 30 und 40 Jahren." Es sei ein typisches Bobo-Viertel. Das heißt, dass viele Leute hier Bio-Produkte kaufen und auf eine bewusste Art leben.
Nach ein paar Minuten duzen sich die sechs Frauen und Véronique bereits. Das Besondere an dieser Führung ist, dass die "Pariserinnen für einen Tag" über die Lebensgeschichte ihrer Stadtführerin genauso viel erfahren wie über die des Stadtviertels. Das Stadtviertel war Anfang des 19. Jahrhunderts noch ein eigenständiges Dorf - dann wurde die Eisenbahn gebaut und Les Batignolles wurde eingemeindet. Und Véronique Vasquez hat 17 Jahre lang in Deutschland gelebt und ist erst seit drei Jahren zurück in Frankreich.
"Ein Stück Paris einatmen"
Die Seele des Stadtviertels ist der Platz Docteur Félix Lobligeois mit seinen Cafés, kleinen Geschäften und spielenden Kindern. Hier gibt es keine Eiffelturm-Besucherschlangen, sondern Wochenmarkt-Flair. Zu den Hauptattraktionen gehört der Blick auf Pariser, die ihre Einkaufstaschen schleppen oder beim Umzug ihre Möbel durch die Gegend tragen.
Dabei ist das Viertel nicht ohne Geschichte: Die Impressionisten haben einst als Batignolles-Gruppe angefangen. Auch berühmte Schriftsteller wie Emile Zola lebten hier. Es ist ein Besuch in einer anderen Pariser Welt. Die Touristinnen Sandra und Andrea gefällt es, Pariserin für einen Tag zu sein. "Da hat man so ein richtig schönes Stück Paris irgendwie einatmen können. Wie die Pariser leben, sich fühlen und sich versammeln und einfach das Leben dann auch in dem Moment genießen", sagt Andrea.
Das Konzept geht auf
Die Stadtführung kostet die Touristen nichts - Véronique bekommt zwar kein Geld als ehrenamtliche Stadtführerin, aber sie profitiert dennoch. So könne sie ihre Deutschkenntnisse endlich wieder anwenden, sagt sie. "Und diesen Austausch mit verschiedenen Nationalitäten und Kulturen finde ich toll. Das bereichert auf jeden Fall."
Autor: Siegfried Forster
Redaktion: Julia Kuckelkorn