Riskante Geldpolitik der USA
3. November 2010Um die größte Volkswirtschaft auf der Welt ist es nicht gut bestellt. Die Arbeitslosigkeit in den USA bleibt auf dem hohen Niveau von knapp zehn Prozent. Das Wachstum ist nicht stark genug, um die Lage am Arbeitsmarkt zu entschärfen. Die Inflationsrate ist auf 0,8 Prozent gesunken. Daher sehen die Notenbanker das Gespenst der Deflation näher rücken. Deflation, also fallende Preise, plus wirtschaftliche Stagnation wäre die schlimmste Kombination nicht nur für die USA, sondern auch für die Weltwirtschaft.
Christoph Balz, USA-Experte bei der Commerzbank, sieht auch in der Vorbeugung der Deflation einen wichtigen Grund für die Entscheidung der Fed, weitere Staatsanleihen zu kaufen: "Durch die expansive Geldpolitik möchte sie, dass die Inflationserwartungen zunehmen. Das würde nämlich den derzeit laufenden Deflationsbefürchtungen entgegenwirken." Gleichzeitig hoffe sie, durch diese Käufe das Zinsniveau für Staatsanleihen zu drücken. Dadurch würden Staatsanleihen weniger attraktiv, sagt Balz. So sollen die Investoren zu Realinvestitionen ermutigt werden.
Als Wachstumsstimulus untauglich
Kurzfristig mag das Kaufprogramm der US-Notenbank die Angst vor fallenden Preisen zurückdrängen, jedoch geht Nils Jannsen vom Kieler Institut für Weltwirtschaft nicht davon aus, dass es große realwirtschaftliche Effekte entfalten wird: "Vor allem weil die Zinsen bereits sehr niedrig sind und es einfach auch wenig Nachfrage für Kredite gibt." Die Haushalte bemühen sich derzeit, sich zu entschulden, können also keine weiteren Kredite aufnehmen. Die Unternehmen sitzen auf sehr viel Cash und sind häufig auch nicht auf Kredite angewiesen.
Was machen die Banken dann mit den vielen Dollars, die die Notenbank in den Geldkreislauf pumpen wird? Ganz einfach: horten. Die Banken würden das Geld wieder bei der Zentralbank einlagern, "möglicherweise für schlechtere Zeiten, auch weil der Interbankenmarkt erst sehr langsam wieder in Gang kommt", sagt Nils Jannsen.
Risiken und Nebenwirkungen
Die lockere Geldpolitik der USA ist mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden. Was die Fed jetzt durchführt, sei für die Geldpolitik Neuland, meint Christoph Balz von der Commerzbank: "Es besteht die Gefahr, dass die Fed zu viel Gas gibt und dann nicht mehr rechtzeitig umsteuern kann." Das heißt, die Fed würde eine größere Inflation in Gang setzen, die sie später mit großer Mühe bekämpfen muss.
Während das Risiko einer höheren Inflation eher mittelfristig ist, ist eine Nebenwirkung bereits eingetreten: Der US-Dollar verlor an Wert, nachdem die Fed das weitere Ankaufen von Staatsanleihen angekündigt hatte. Mehr Dollar im Umlauf mindert seinen Wert - dieser Nebeneffekt wurde wahrscheinlich bewusst einkalkuliert, um den Export zu stimulieren. Jedoch werden dadurch die Importe teurer, was wiederum der Inflation Vorschub leistet.
Fatale Folgen für Schwellenländer
Ein weiter schwächelnder Dollar könnte fatale Folgen für die Schwellenländer haben, meint Balz: "Viele Schwellenländer kämpfen zurzeit auch damit, dass ihnen sehr viel Geld zufließt, weil der Dollar unattraktiv geworden ist." Wenn die Fed jetzt weiter versuche, den Dollar zu schwächen, dann fließe noch mehr Geld in diese Schwellenländer. Die Wirtschaft könnte dort überhitzen, was langfristig vermutlich in einem wirtschaftlichen Einbruch in diesen Ländern resultieren würde, sagt Balz weiter.
Bevor es für andere Länder brenzlig wird, könnten die USA schon bald ernsthafte Schwierigkeiten bekommen. Denn was wäre, wenn die Politik der Geldvermehrung nicht die erwünschte Wirkung bringt; was wäre, wenn die US-Wirtschaft nächstes Jahr in eine erneute Rezession schlittert. Die Fed hätte dann kaum noch Spielraum, ist Balz überzeugt: "Sie könnte dann den amerikanischen Bundeshaushalt direkt finanzieren." Das bedeutet, dann der Staat deutlich mehr ausgeben und sich das Geld direkt bei der Fed beschaffen würde. "Aber das wäre eine Maßnahme, die wirklich Ultima Ratio wäre, weil sie das Vertrauen in die Fed beschädigen könnte."
Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Rolf Wenkel / Martin Schrader