Schweiz verteidigt ihr Bankgeheimnis
15. Dezember 2008Schweizer Banken verwalten Vermögen im Wert von etwa 3,7 Billionen Dollar. 2,2 Billionen davon stammen aus dem Ausland. Unklar ist verständlicherweise, wie viel davon steuerliches Schwarzgeld ist. Denn die Schweizer Banken sagen darüber nichts, und sie fragen ihre Kunden auch nicht danach.
Vor allem aus den USA und aus Deutschland steigt jedoch der Druck auf die Schweizer Behörden und Banken, bei der Enttarnung von Schwarzgeldkonten mitzuwirken. "Das Schweizer Bankgeheimnis ist in Gefahr", meint deshalb Rechtsanwalt Daniel Rentzsch vom Lehrstuhl für Steuer-, Finanz- und Verwaltungsrecht der Universität Zürich. "Die Gefahr kommt daher, dass viele Staaten diese Regelung in der Schweiz verstärkt angreifen - vielleicht aus eigenen finanziellen Interessen."
UBS-Steueraffäre
Besonders hohe Wellen schlägt in der Schweiz die so genannte UBS-Steueraffäre. Es geht dabei um Kundendaten der schweizerischen Großbank, die von der eidgenössischen Steuerverwaltung angefordert wurden. Die Behörde will die Daten im Zuge von Amtshilfe an US-Fahnder aushändigen. Bei den Kunden handelt es sich um in den USA ansässige Personen, die über ein Konto in der Schweiz verfügen und dem Doppelbesteuerungs-Abkommen beider Länder unterliegen.
Anwälte unterstellen nach einem Bericht der "Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ) dem Finanzministerium (dem die Steuerverwaltung untersteht), es verrate das Bankgeheimnis. Einige Kunden haben sich bereits bei der Steuerverwaltung beschwert und rechtliche Schritte gegen die Bank eingeleitet. Ein Sprecher der Bank bestätigte gegenüber DW-WORLD.DE, Kenntnis von den Verfahren zu haben. Er wollte sich aber nicht zu den Inhalten äußern.
Wie eine heilige Kuh
Dem außenstehenden Beobachter der schweizerischen Debatte über die Angriffe auf das Bankgeheimnis drängt sich der Eindruck auf, es ginge um das Schlachten einer heiligen Kuh. Die NZZ gab unlängst dem Steuerfachmann Marco Duss das Wort. Er schrieb in seinem Beitrag, amerikanische Behörden hätten die UBS "erpresst". Duss warnte vor einer "Gefahr für Schweizer Grundwerte": Unter schweizerischen Wertvorstellungen werde die "Steuerumgehung" nicht kriminalisiert. Im Ton der Verachtung blickte Duss dann auch nach Deutschland, wo aus seiner Sicht ein ungehöriger politischer Umgang mit Steuersündern gepflegt wird: "Bundeskanzlerin Angela Merkel brandmarkt einen Steuerdelinquenten öffentlich als Verbrecher." In der Schweiz dagegen sei ein Verbrecher zum Beispiel ein Raser, der ein junge Frau tötet.
Steueranwalt Rentzsch erinnert daran, dass das Bankgeheimnis - eigentlich heiße es richtigerweise "Bankkundengeheimnis" - in den 1930er Jahren eingeführt wurde, "unter anderem, weil Staaten wie Frankreich und Deutschland schon damals versucht haben, mittels Spionage und Bestechung von Schweizer Bankangestellten an Kundendaten zu kommen. Aus dieser Sicht war es sicherlich für viele - auch für diejenigen, die aus Deutschland flohen - aus moralischer Sicht eine gute Sache, dass es das Bankkundengeheimnis gab."
Steinbrücks brachiale Rhetorik
An jene Zeiten fühlte sich mancher Eidgenosse wohl erinnert, als Bundesfinanzminister Peer Steinbrück im Oktober auf einer Konferenz der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris forderte, die Schweiz auf eine Schwarze Liste der OECD setzen zu lassen. Er begründete dies damit, dass das Land aus seiner Sicht die Steuerhinterziehung begünstigt. Steinbrück ließ es in Paris rhetorisch so richtig krachen: Zusammen mit seinen Kollegen wolle er Länder wie die Schweiz überreden, politisch einbinden und wenn nötig nicht nur Zuckerbrot, "sondern auch die Peitsche" gebrauchen.
Steinbrücks Entgleisung veranlasste die Schweizer Regierung zu einer formalen Rüge gegenüber dem deutschen Botschafter in der Schweiz. Außenministerin Micheline Calmy-Rey sagte: "Wir waren sehr überrascht, befremdet und vor allem enttäuscht über diesen Tonfall. So redet man nicht mit einem Partnerland." Es gehe offenbar darum, dass Deutschland Geld brauche. Das könne sie zwar verstehen, aber man solle deswegen nicht nach einem Sündenbock suchen.
Feine Grenzen zwischen Steuerhinterziehung und Betrug
Ein unumstößliches Bankgeheimnis kennt auch die Schweiz nicht. Sie unterscheidet jedoch haarfein zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. Wer zum Beispiel Einkommensteile in seiner Steuererklärung verschweigt, begeht lediglich Steuerhinterziehung. Diese wird vom Gesetzgeber als eine Art Ordnungswidrigkeit betrachtet und vor Gericht mit einer Geldbuße bestraft. Steuerbetrug dagegen begeht derjenige, der Informationen, Belege oder andere Dokumente fälscht oder verfälscht. Solche Betrüger müssen auch in der Schweiz mit einer Freiheitsstrafe (maximal drei Jahre) rechnen. Wird der Betrug von Ausländern verübt, leisten die Behörden bereits jetzt Amtshilfe.
Im Fall der UBS-Kunden geht es darum, ob es sich hier um Steuerhinterziehung handelt oder um Steuerbetrug. Sollte es Betrug sein, wäre das Bankgeheimnis unangetastet. Denn Amtshilfe entspräche hier gängiger Rechtspraxis. Handelt es sich aber um Steuerhinterziehung, so würde eine Weitergabe von Kundendaten eine Verletzung des Schweizer Bankgeheimnisses bedeuten.
Immer den Kunden hinterher
Schweizer Banken stellen sich nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters schon jetzt auf eine mögliche Aufweichung ihres Standortvorteils ein und planen eine Verlagerung ihrer Arbeit ins Ausland - nach dem Motto: Falls die Kunden bald nicht mehr zu uns kommen, gehen wir zu ihnen. Schwieriger ist die Lage für kleine Vermögensverwalter. Kritiker des Schweizer Bankgeheimnisses wie etwa die Schweizer Drittwelt-Organisation "Erklärung von Bern" gehen davon aus, dass viele der oft im 18. Jahrhundert gegründeten kleinen traditionellen Schweizer Vermögensverwaltungsbanken in Schwierigkeiten kommen, wenn das Bankgeheimnis fällt. "Die traditionellen Schweizer Privatbanken sind total von unversteuertem Geld abhängig und es ist schwierig abzuschätzen, wie sie weitermachen können", zitiert Reuters Andreas Missbach. Er ist der Leiter der Pressure Group, die sich in der Schweiz für Belange der Dritten Welt einsetzt.
Wie lange das Bankgeheimnis dem Druck aus dem Ausland standhalten wird, ist derzeit völlig unklar. Die Eidgenossen sind es allerdings gewohnt, derartige Angriffe abzuwehren. Ihre Banken standen zuletzt vor etwa einem Jahrzehnt unter ähnlichem internationalen Druck, als jüdische Organisationen die Herausgabe von Namen und Geldern von Nazi-Opfern verlangten. Das Bankgeheimnis blieb auch damals unangetastet.