Räumung von Lützerath vor dem Ende
12. Januar 2023Nach nur drei Tagen steht die Räumung des rheinischen Ortes Lützerath vor dem Abschluss. In den Häusern und auf den Dächern der Wohngebäude seien keine Aktivisten mehr, teilte die Polizei am Abend mit. Weiter geräumt werden müssten aber noch ein Tunnel mit zwei Aktivisten und mehrere Baumhäuser. Insgesamt mussten sieben Wohnhäuser und etwa 25 Baumhäuser von der Polizei geräumt werden. Lützerath am Rande des rheinischen Braunkohlereviers gehört zur nordrhein-westfälischen Stadt Erkelenz.
Zuvor waren zahlreiche Holzhütten und Barrikaden der Aktivisten von Baggern zerstört worden. Die Besetzer ließen sich meist ohne große Gegenwehr wegtragen. Einige waren dabei den Tränen nah. Auch zwei symbolträchtige Häuser der einstigen Bewohner von Lützerath wurden geräumt. Dort flogen Feuerwerkskörper in Richtung der Einsatzkräfte, wie Reporter berichten. Eine Beamtin wurde leicht verletzt.
Einige Aktivisten hatten sich mit Kleber in ihren Holzhütten festgeklebt. Beamte konnten sie aber schnell lösen. Andere ketteten sich an oder betonierten ihre Arme ein, um die Räumung zu erschweren. "Wir haben Erfahrung mit Lock-ons aller Art", sagte ein Polizeisprecher. Auch aus den in bis zu zehn Meter Höhe errichteten Baumhäusern ließen sich Besetzer von Höhenrettern ohne große Gegenwehr nach unten holen. Anschließend schnitten Polizisten die Halteseile durch, so dass Baumhäuser krachend in die Tiefe stürzten und zerbrachen.
Massiver Zaun
Der Energiekonzern RWE, dem Lützerath inzwischen gehört und der die Braunkohle unter dem Ort für die Stromerzeugung gewinnen will, errichtete einen massiven Zaun rund um das Dorf. So soll die Anreise weiterer Demonstranten verhindert werden. Trotzdem machte sich vom Nachbarort Keyenberg aus ein Demonstrationszug auf den Weg nach Lützerath. Die Polizei sprach von etwa 800 Teilnehmern. Einige Demonstranten wurden von der Polizei gestoppt und eingekreist, darunter die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer und Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser. Sie wurden schließlich von Polizisten weggetragen. Die Demonstranten wollen den Abbau der Kohle unter Lützerath verhindern und warnen vor den Folgen für das Klima durch die Kohle-Verbrennung.
Belastungsprobe für Grünen
Für die Grünen wird die Räumung zunehmend zur Belastung: Sowohl im Bund als auch im Land Nordrhein-Westfalen ist die Partei an der Regierungskoalition beteiligt und trägt die Erweiterung des Braunkohletagebaus Garzweiler mit.
Nach mehr als zehn Stunden haben Polizisten am frühen Freitagmorgen die Besetzung der Parteizentrale der NRW-Grünen beendet. Das teilte ein Parteisprecher mit. Die Aktivisten wollten die Geschäftsstelle demnach nicht freiwillig verlassen. Daher habe man vom Hausrecht Gebrauch machen müssen. Einem Polizeisprecher zufolge blieb es bei der Räumung friedlich.
Aus Protest hatten rund 30 Aktivisten mehrerer Klimaschutz-Organisationen das Büro der Partei in Düsseldorf besetzt. Damit wollten sie gegen die Haltung der Grünen zur Räumung von Lützerath protestieren. Die Parteispitze wies darauf hin, dass im Rahmen eines Kompromisses zum Tagebau Garzweiler der Kohleausstieg im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland um acht Jahre auf 2030 vorgezogen wurde.
Gericht in Aachen genehmigt Demonstration am Samstag
Das Aachener Verwaltungsgericht gab unterdessen grünes Licht für eine am Samstag geplante Demonstration zum Erhalt von Lützerath. Der Protest könne nach einem Eilantrag der Veranstalter weitgehend wie geplant in der Nähe des Orts im rheinischen Braunkohlerevier stattfinden, entschied das Gericht. Traktoren dürfen die Demonstranten jedoch nicht benutzen. Der Protestzug soll demnach nördlich des Lützerather Nachbarorts Keyenberg mit einer Auftaktkundgebung starten. Nach einem Gang durch Keyenberg, einem Ortsteil der Stadt Erkelenz, soll der Zug auf einer Fläche nordwestlich des früheren Dorfs Lützerath enden. Dort sei eine Abschlusskundgebung geplant. Das Polizeipräsidium Aachen hatte diesen Ablauf laut Gericht ursprünglich untersagt und darauf gezielt, die Abschlusskundgebung weiter von Lützerath entfernt stattfinden zu lassen.
Thunberg kritisiert Polizei, Regierungen und Konzerne
Auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg will an der Demonstration teilnehmen. Sie traf bereits in Lützerath ein und kritisierte scharf das Vorgehen der Polizei: "Es ist empörend, wie die Polizeigewalt ist." Sie besichtigte das Dorf und den Krater des Braunkohletagebaus und hielt dabei ein Schild mit der Aufschrift "Keep it in the ground" (Lasst es im Boden) hoch. Wenn Regierungen und Konzerne in dieser Weise zusammenarbeiteten, um die Umwelt zu zerstören und zahllose Menschen zu gefährden, müsse die Bevölkerung dagegen angehen, betonte Thunberg. Zu der Kundgebung werden nach Angaben der Polizei Tausende Teilnehmer erwartet.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte der "Bild"-Zeitung, er hoffe, Thunberg sorge dafür, dass ihre Mitstreiter friedlich blieben. Harsche Kritik an der 20-Jährigen kam aus der CSU. Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Bundestagsfraktion, sagte: "Greta Thunberg fährt nach Lützerath, obwohl dort Polizisten mit Steinen und Feuerwerkskörpern angegriffen werden. Mit ihrem Besuch macht sich Thunberg wissentlich mit diesen Straftätern gemein."
sti/kle/bru/qu/gri (dpa, epd)